Frisch aus dem Archiv: Das Stahlgewitter-Syndrom

In einem Aufsatz unter dem Titel “Der letzte Deutsche” hatte der Dichter Botho Strauß letzte Woche im “Spiegel” über die „Einwanderung der Entwurzelten“ bekundet: „Ich möchte lieber in einem aussterbenden Volk leben als in einem, das aus vorwiegend ökonomisch-demografischen Spekulationen mit fremden Völkern aufgemischt, verjüngt wird, einem vitalen.“ – und damit einen kleinen Empörungssturm im Feuilleton provoziert – wie man u.a. hier, hier und hier verfolgen kann. Ich fand den Text nicht als besonderen Aufreger, weil sich Strauß als intellektuelle Kapazität  bei mir schon seit langem disqualifiziert hatte, und als ich überlegte seit wann, fand ich im  Archiv diesen Artikel – erschienen am  15.08.1995 in der taz kurz vor dem Bosnien-Krieg.  Und nach 20 Jahren durchaus wieder aktuell, nicht nur wegen der Schlusspointe…

Seit Joschka mit seinem Filius für die Schluchten des Balkan schon den Nahkampf trainiert – oder doch nur „Mortal Combat“ auf dem Computer? -, egal, seit jedenfalls der Grünenhäuptling für den Kriegspfad trommelt, hat sich die Wertedebatte im grün-alternativen Lager erhitzt. Der alte Fundi- Realo-Konflikt ist, diesesmal als Streit zwischen Pazifisten und Bellizisten, wieder da, und er ist zugespitzter denn je.

Die Ablehnung von Militarismus und Nationalismus ist ein zentraler Grundwert der Partei und eben den stellt der Obergrüne mit seiner Forderung, zum Schutz der Schutzzonen in Bosnien zu internvenieren, in Frage. Fischer setzt mit seinem Papier auch ein Ausrufezeichen hinter die unlängst in dieser Zeitung geäußerte These, daß vom Interventions- und Draufschlagfieber, einer Art Stahlgewitter-Syndrom, wohl vor allem ehemalige Vertreter der antiautoritären Linken um die 50 befallen werden. Ob Joschka und Dany, Peter Schneider oder Botho Strauß mittlerweile morgens um fünf Ernst-Jünger-mäßig ein eiskaltes Bad nehmen, wissen wir nicht, ihre Rufe nach Mobilmachung und “Blutopfern” tönen aber fast schon so ähnlich.

Auch in Frankreich hungerstreiken Intellektuelle dem Kampfeinsatz der Fremdenlegion in Bosnien entgegen, und selbst das Simulationsschlachtroß Jean Baudrillard rasselt auf die alten Tage plötzlich mit dem Säbel. Daß es nicht Militärexperten, Generäle oder Friedensforscher sind, sondern Schreibtischakteure und -artisten, die am heftigsten Militäreinsätze fordern, mag noch verständlich sein – aus der sicheren Deckung des Schreibtisches ließ es sich schon immer am stürmischsten zum Angriff blasen -, daß es aber ausgerechnet ehemalige Antiautoritäre sind, die panisch nach der ultimativen Autorität rufen, wundert dann doch. Sind’s einfach nur die Hormone (der Bauchansatz, die Glatze), ist’s der Utopieverlust (der Machtzuwachs, die Angst), die Männerphantasien derart umpolen? Dr. Theweleit – übernehmen Sie!

Der Philsoph Sun Zi (zirka 500  v. Chr.), der wegen seines Buches “Die Kunst des Krieges” zum (äußerst erfolgreichen) obersten General des Königreichs Wu ernannt wurde, schrieb: “Siegen und Kämpfen ist nicht die größte Leistung. Die größte Leistung besteht darin, den Widerstand des Feinds ohne einen Kampf zu brechen. (…) Wenn du den Feind und dich selbst kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht zu fürchten. Wenn du dich selbst kennst, doch nicht den Feind, wirst du für jeden Sieg, den du erringst, eine Niederlage erleiden. Wenn du weder den Feind noch dich selbst kennst, wirst du in jeder Schlacht unterliegen.”

Welche der drei Optionen trifft auf die aktuelle Lage in Bosnien zu? Ich fürchte, es ist nur die dritte, denn wer ist der Feind, der mordet und zerstört, und wer sind wir, als Teil der Vereinten Nationen, die dort täglich versagen? Solange im olivgrünen Wahlkampfzelt darüber noch gegrübelt wird, wäre als außenpolitisches Signal vielleicht die Forderung angebracht, die deutschen Grenzen umstandslos für alle Flüchtlinge und Deserteure zu öffnen. Für den zweitgrößten Waffendealer der Welt wäre eine solche Geste im Rahmen der Produkthaftung mehr als angemessen.

TTIP Nein Danke!

Seyfried-TTIP(Mit Update) Dass es sich in Sachen Dieselgate nicht um eine Anti-VW-Verschwörung, sondern nur um die erste Aufdeckung “eines branchenüblichen, markenübergreifenden Betrug, also um organisierte Kriminalität,  handelt, und der VW-Konzern als zweitgrößter Hersteller der Welt eben nun als erster erwischt worden ist”, hatten wir hier schon angemerkt. Jetzt berichtet der Guardian, dass auch Mercedes-Benz, Honda, Mazda and Mitsubishi im Normalbetrieb deutlich mehr Schadsstoffe emitieren als bei den offiziellen Tests.

Ebenfalls schon Thema in diesem Blog war die von der Otto-Brenner-Stiftung veröffentlichte “Querfront”-Studie, zu der ich Ende August schrieb: “Einmal mehr wird in dieser “Studie” um das Tabu “Verschwörungstheorie” alles Mögliche und Unmögliche zusammengerührt, um mit diesem Brei aus Esoterik, Mumpitz, Nationalismus und der unvermeidlichen Prise “Antisemitismus” alles zu kotaminieren, was dort dann hineingestreut wird.”   Die mißratene und mittlerweile zurückgezogene Studie wird heute in einem Artikel der “Neuen Zürcher Zeitung” wieder aufgegriffen, der sich an einer Analyse des digitalen Untergrunds versucht, die ein wenig differenzierter geraten ist. Statt alles in einen Topf rühren, legt der Autor Markus Linden zwar ein paar verschiedene an, kommt jedoch auch  dabei ohne die  kontaminierende Zugabe “verschwörungstheoretischer” Gewürze  nicht aus. Wo diese partout  nicht vorhanden sind, werden sie dann im Subtext einfach insinuiert, indem z.B. dem Historiker Daniele Ganser vorgeworfen wird “ein Meister des Subtextes” zu sein, “der es rhetorisch brillant versteht, gerade keine geschlossene Verschwörungstheorie zu präsentieren.” Unserem Buch “Wir sind die Guten” wird bescheinigt, sich “faktenorientierter Kritik” zu befleissigen, um es dann aber sogleich mit Ulfkotte zusammenzurühren, der das Gegenteil tut. Und so geht auch dieser Analyseversuch in die Hose, weil er einmal mehr ignoriert, dass der akute Zustand des Journalismus seine Kritiker und Gegner in Permanenz selbst produziert. Weil  eben  auch “faktenorientierte Kritik” – etwa an der offiziellen Version von 9/11, oder an den offiziellen Kriegsgründen in Afghanistan, Irak oder Syrien, oder an dem US-gesponsorten Oligarchenwechsel in der Ukraine, oder an der Totalüberwachung durch NSA, CIA & Co. – im Pseudo-Pluralismus des Medienmainstreams schlicht keinen Platz hat. Und wenn in dem betäubenden Talkshow-Gedröhne mal einer kurz realen Klartext redet und wie der Sänger Herbert Grönemeyer die Herren Bush und Blair als das bezeichnet was sie nach Lage der Fakten eindeutig sind – Kriegsverbrecher ! – muss ihm umgehnd der Mund verboten werden.

Nicht den Mund verbieten lassen sich die über 50.000 heute in Berlin Demostrierenden, denen ich mich gleich noch anschliesse, um das unsägliche, undemokratische, betrügerische TTIP-Abkommen zu verhindern. Dass Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel heute ganzseitige Anzeigen schaltet um den Zeitungslesern zu versichern, dass dort alles mit rechten Dingen zugeht, spricht ja allein schon Bände. Und wenn man liest, was natürlich nicht die Politik, nicht die “Qualitätsmedien”, sondern Wikileaks veröffenlicht, nämlich die geheimen TTP-Vereinbarungen zu geistigem Eigentum (intellectual property), dann wird klar, warum dies angeblich so vorteilhaften Verträge so strikt geheim gehalten werden: sie sind genau so undemokratisch und betrügerisch wie befürchtet.  Und stehen damit ganz in der Tradition nicht von allen aber von zahlrreichen Freihandels-Abkommen in der  Geschichte des kapitalistischen Weltmarkts.

 

Update (16.00):

10.10.15 15:51-Bildschirmkopie

So etwas gab es zuletzt bei der Loveparade, laut Veranstalter 250.000 Teilnehmer/innen. Wenn man den Kommentatoren des ehemaligen Narichtenmagazins folgt, handelt es sich dabei allerdings um Verrückte, die “Schauermärchen vom rechten Rand” und einer Kampagne folgen die auf “braunem Mist” gewachsen ist.  Alles Nazis quasi… womit wir wieder, siehe “Querfront” oben, bei der klassischen Kontaminierung qua Kontaktschuld sind: wenn ein paar rechte Pegidisten TTIP ablehnen, kann man auch den ganzen Rest der Demo dem braunen Sumpf zuschlagen.  Im Übrigen klärt uns eine SpOn-Propagandistin dann noch auf, dass Geheimverhandlungen normal sind und es “ganz OK ist, dass nicht jeder Bürger daran beteiligt sein muss.”  Na dann brauchen wir uns ja keine Sorgen zu machen: Onkel Sam und seine Top-Schurnalisten werden das Schiffchen von der Transatlantikbrücke schon schaukeln, und diese Viertelmillion Krypto-Nazis sind einfach nur crazy…

Nach Maßgabe der Möglichkeiten

Nachdem wir hier schon vor einiger Zeit  kurz vorgerechnet hatten, dass  ein Flüchtling auf 107 Einwohner ja nicht allzuviel ist und die sterbenden Städte, Dörfer und Regionen in Brandenburg, Meck-Pomm und anderswo durchaus wiederbelebt werden können wie es einst der Alte Fritz mit den Hugenotten vorexerzierte. Auch Thomas Fischer, seit einiger Zeit  mein Lieblingskolumnist, hat die Rechnung jetzt nochmal aufgemacht und entscheidend erweitert… was man ja wohl noch mal sagen dürfen können muss:

“Aus diesen und aus vielen anderen Gründen musste jetzt endlich einmal gesagt werden dürfen: Wenn alle armen Menschen dieser Welt (so die Staatskanzlei Bayern) oder alle Kriegsflüchtlinge dieser Welt (so Prof. Winkler) gleichzeitig zu uns (gemeint: Deutschland in den Grenzen von 1990) kämen, könnte es eng werden. Mein lieber Herr Professor! Das ist ja eine Zeitenwende der Erkenntnis! Darüber haben wir ja – außer 1975, 1983, 1992, 1998 und 2003 – praktisch noch nie nachgedacht! Lassen Sie uns überlegen: 360.000 Quadratkilometer für 82 Millionen angebliche Deutsche macht 4.300 m² pro deutschen Menschen (220 pro km²). Kämen nun, sagen wir mal 60 Millionen dazu (derzeit geschätzte Zahl der Kriegsflüchtlinge auf der Welt), blieben für jeden gerade einmal noch 2.600 m², die Dichte stiege auf 360 pro km² an. Das entspricht ziemlich genau der Bevölkerungsdichte von Israel (370), Indien (370) oder Japan (340) und liegt zwischen den Niederlanden (400) und Belgien (350). In Bangladesch (1070) gilt das als gähnende Leere; auch in Südkorea (520) ist’s ein bisschen enger. Trotzdem – und auch dies muss man einmal sagen dürfen: Die schaffen das”

Nicht nur  weil Fischer in der Folge Heinrich August Winkler,  den “Chefinterpret der deutschen Geschichte” und dessen Ansinnen Asyl nur noch  nach “Maßgabe der Möglichkeiten” zu gewähren, gnadenlos zerpflückt sind alle 5 Teile dieses Artikels unbedingt lesenswert.

Mein Lieblingsbuch

05.10.15 22:10-Bildschirmkopie

Mein Lieblingsbuch, 1998 erstmals erschienen, ist jetzt wieder als eBook erhältlich. Die freundlichen Versandhändler bieten hier eine kleine Vorschau auf das Werk, in dessen Einleitung es heißt:

»Wunder geschehen nicht im Gegensatz zur Natur, sondern im Gegensatz zu dem, was wir von der Natur wissen«, verkündete der Kirchenlehrer Augustinus im 5. Jahrhundert. Seitdem hat sich diese Erkenntnis vielfach bestätigt. Ein Mensch der Frühzeit, der mit den technischen oder medizinischen Errungenschaften unserer Tage konfrontiert worden wäre, hätte wohl kaum eine andere Auffassung von Flugzeugen, Fernsehern oder Röntgengeräten gewinnen können, als dass es sich dabei um übernatürliche Wunder handelt. Doch nicht anders als wir heute das Unwissen und die Naivität vergangener Epochen belächeln, werden die Historiker der Zukunft dereinst auf unsere Zeit zurückblicken. Dass sich der Wissensschatz der Menschheit in den vergangenen Jahrzehnten vervielfacht hat und moderne Forschungsmethoden sowohl bei der Durchdringung des Allerkleinsten als auch der unendlichen Weiten des Universums große Erkenntnisfortschritte gebracht haben, hat nichts daran geändert, dass bis heute fundamentale Bereiche der Natur im Dunkeln liegen.

Den Biologen ist es zwar gelungen, die Gen-Bausteine der Organismen zu identifizieren, doch auf die entscheidende Frage »Was ist Leben?« haben sie noch keine Antwort gefunden; den Physikern gerannen die immer kleineren Materie-Teilchen, deren geheimnisvolles Wechselspiel sie beobachteten, zu einer unfassbaren »Wahrscheinlichkeitswolke«; und die meisten Kosmologen geben offen zu, dass zu einem Urknall ein Knallgesetz gehört, dass also am Anfang des Universums eigentlich nicht der Urknall gestanden haben kann, sondern die physikalischen Gesetze, nach denen der Knall abläuft. Trotz allen Erkenntniszuwachses scheint ein allwissendes Physiklehrbuch als Anfang aller Dinge von jenem mysteriösen Schöpfergott, dem Augustinus die Sache noch zuschrieb, nicht allzu weit entfernt. Auch wenn Forscher wie der Astrophysiker Stephan Hawking die bevorstehende Entdeckung der alles erklärenden Weltformel so tollkühn annoncieren wie die Adepten früher Zeiten den quasi auf der Hand liegenden Stein der Weisen – von einem durchdringenden Verständnis des Universums, der Materie und des Lebens kann auch mit dem Anbruch des 21. Jahrhunderts keine Rede sein. Und so ereignet sich auch in unseren Tagen noch vieles im Gegensatz zu dem, was wir von der Natur wissen, beziehungsweise im Gegensatz zu dem, was die Wissenschaft als Naturtatsache gelten lässt.

Dieses Buch stellt neue Denkansätze, Hypothesen, Theorien aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen vor, die das etablierte Naturverständnis überschreiten. Es berichtet über ihre Forschungsergebnisse und Diskussionen – darunter Kosmologie, Biologie, Geologie, Quantenphysik, Evolutionsgeschichte, Katastrophentheorie und Bewusstseinsforschung – die in den vergangenen 25 bis 30 Jahren in ihren Fachbereichen für Aufsehen und Umwälzungen sorgten. Aufregend sind dabei aber nicht allein diese Forschungsergebnisse, es sind vor allem die neuen Verbindungslinien, die sich dadurch ergeben und die eine erweiterte Perspektive unseres Naturverständnisses eröffnen. (…)

Krieg in Pipelinistan

23.06.14 17:05-Bildschirmkopie

Weil der Kollege Fefe fast nur im Internet und kaum Bücher liest, stellt er  erst jetzt fest, dass in “Wir sind die Guten” auch etwas über den Hintergrund des Syrien-Konflikt steht. Nämlich über den  Krieg in Pipelinistan, in dem sich auf der einen Seite Assad, Russland und Iran und auf der anderen Katar, Saudi-Arabien und die USA gegenüberstehen. Unten zitiere ich mal einen kurzen Abschnitt dazu, denn auch für Nicht-Buch-Leser ist dieser Hintergrund interessant, zumal Russland jetzt in Syrien ebenfalls militiärisch eingreift.

Dass die ersten Berichte über die zivilen Opfer der russischen Luftschläge schon erschienen, bevor die Bomber überhaupt in der Luft waren, passt zu der desinformierenden Art und Weise der gängigen Berichterstattung über den Konflikt. Beim durchscannen der Artikel dazu war immer wieder zu lesen, dass die Russen die falschen, nämlich die von der CIA gesponsorten “moderaten” Terroristen getroffen hätten. Und nicht den IS – der freilich ebenfalls CIA-gesponsort ist, und zwar  von “Exon”-John McCain persönlich, welcher jetzt logischerweise zu den ersten gehörte, der die russischen Luftschläge scharf verurteilte.

 “Schon seit 2010 in Betrieb ist die russische Pipeline Blue Stream, die Gas durch das Schwarze Meer in die Türkei befördert und die Russland mit Blue Stream 2 verlängern möchte – nach Syrien. Dass sich Syriens Diktator Assad auf dieses Angebot eingelassen hat und das Angebot einer von den USA und der EU projektierten Pipeline, die Erdgas aus Katar durch Jordanien und Syrien ans türkische Mittelmeer befördern soll, ablehnte, ist vermutlich der eigentliche Grund für den vom Westen massiv propagierten Regimewechsel in Damaskus sowie für die Tatsache, dass Katar und Saudi-Arabien die Rebellen im syrischen Bürgerkrieg finanzieren und mit Al-Qaida-Söldnern unterstützen. Es geht dabei nicht um Demokratie oder Menschenrechte, sondern um das Milliardengeschäft mit den energiehungrigen europäischen Anrainern des Mittelmeers. Diesem Geschäft ist Assad im Weg und will zudem nicht nur russischem Erdgas Zugang zum Mittelmeer verschaffen, sondern hat auch mit dem Iran einen milliardenschweren Lieferungsvertrag geschlossen. Das – und nicht die unzweifelhaften Diktatur des Herrschers Assad – ist der Grund für den vom Westen mit Geld aus Katar und Saudi-Arabien geförderten Bürgerkrieg in Syrien und für die Unterstützung, die Assad in diesem Konflikt durch Russland erfährt. Es ist das große Spiel um Ressourcen und Marktzugänge – und hier gelten der Doppelstandard und die Gesetze des Dschungels: Täuschung, präemptive Attacken, Krieg.
Im August 2013 standen die Truppen der USA, Englands und Frankreich kurz davor, mit Bombardements in den syrischen Konflikt einzugreifen, weil nach mehreren Giftgaseinsätzen, die der Assad-Regierung zugeschrieben wurden, laut Präsident Obama eine »rote Linie« überschritten war. Nachdem am 21. August in der Stadt Ghuta erneut mehrere hundert Zivilisten durch den Einsatz chemischer Waffen ums Leben gekommen waren, legte Präsident Obama den Termin des Bombenangriffs auf den 2. September fest, England verlegte ein U-Boot und Kampfflugzeuge nach Zypern, eine Staffel der französische Luftwaffe wurde in Bereitschaft versetzt. Ohne Frage wäre es zu diesem Angriff auf Damaskus gekommen – der US-Präsident hatte ihn sogar schon öffentlich angekündigt. Dass er im letzten Moment abgewendet wurde, verdankte sich einem russischen Agenten, der dem britischen Geheimdienst MI 6 ein Muster des in Ghuta verwendeten Giftgases zukommen ließ – samt eines vertrauenswürdigen Belegs, dass dieses nicht aus russischen Beständen stammte und daher auch nicht im Arsenal von Assad gewesen sein konnte. Nachdem die Chemiker des MI 6 dies geprüft hatten, funkten sie eilig nach Washington: »Wir wurden reingelegt!« Wie dies geschah, deckte Seymour Hersh in zwei investigativen Reportagen einige Monate später auf: Als eine klassische »False-Flag-Operation« hatten die »Rebellen« selbst das Giftgas eingesetzt. Die Kampfstoffe stammten aus der Türkei und waren auf der von der CIA eingerichteten »Rattenlinie« zur Versorgung der Aufständischen nach Syrien gebracht worden. Mit dem von der Türkei, Katar und Saudi-Arabien ausgeheckten Plot sollten die Großmächte in den Konflikt hineingezogen werden, was Russland verhinderte und danach einen Deal mit Assad aushandelte, sämtliche syrischen Chemiewaffen zu vernichten.
Wer nun glaubt, dass das Auffliegen der Geschichte und die Beweise, dass nicht der »Schlächter« Assad gegen sein eigenes Volk einschließlich Kindern mit Chemiewaffen vor- ging, sondern die vom Westen eingeschleusten Söldner der Al-Nusra-Front, zu einem Ende des verdeckten Kriegs in Syrien geführt haben, irrt. Die »rote Linie«, die gesetzt wurde, gilt nach dem doppelten Standard eben nur für eine Seite: Wir, die Guten, dürfen so etwas, weil wir für »Freiheit« und »Menschenrechte« unterwegs sind, weil wir »Diktatoren« beseitigen und den »Terror« bekämpfen. Und wenn unsere Helfershelfer dabei auch mal Giftgas einsetzen und einen Massenmord unter falscher Flagge veranstalten, ist das kein Grund, sich von ihnen zu trennen: Es geht um Größeres, um das große Spiel, in dem jedes Mittel erlaubt ist und in dem »wir« immer die Guten sind. (Bröckers/Schreyer: Wir sind die Guten, Frankfurt 2014, S. 58 ff.)

 

Ein ausführlicher Report über die aktuelle militärische Lage ist heute auf Telepolis erschienen: “Terrorismusbekämpfung zwischen Kuhhandel und Blockkonfrontation”

Ethik oder Etat – Sind unsere Werte nur noch Börsenwerte ?

Die erste “Positionen” -Gesprächsrunde bei Ken FM – Krieg oder Frieden in Europa – die im Juni online ging, haben mittlerweile mehr als 500.000 Menschen gesehen. Eine hervorragende Quote für ein über 2,5 Stunden dauerndes Gespräch, die zeigt, dass es  jenseits des üblichen Talkshow-Zirkus durchaus großes Interesse an politischer Debatte gibt, wenn nicht die immer gleichen talking heads ihren immer gleichen Sermon ablassen.  Da sich  öffentlich-rechtlichen Sender von ihrem gesetzlich gebotenen Bildungsauftrag weitgehend verabschiedet haben und politische Positionen nur noch in minimaler Bandbreite zu Wort kommen läßt, muß man mittlerweile ins Internet gehen um über den Tellerrand des  aktuellen CDU/SPD-Meinungspektrums hinauszublicken.  Das macht Ken Jebsen mit den Gästen seiner zweiten Gesprächsrunde, die heute online gegangen ist, einmal mehr möglich. Für einen langen TV-Abend empfehlen wir deshalb hier die Diskussion über “Ethik oder Etat” mit Prof. Dr. Athanassios Giannis (Leiter des Instituts für organische Chemie der Universität Leipzig), Peter König, der über 20 Jahre für die Weltbank Wasserentwicklungsprojekte geleitet hat, Ernst Wolff, Autor des Buches “Weltmacht IWF – Chronik eines Raubzuges”, und  Albrecht Müller, Ökonom, ehemaliger Wahlkampfleiter von Willy Brandt und Kopf des alternativen Nachrichtenportals NachDenkSeiten.

 

Warum “Dieselgate” keine Anti-VW-Verschwörung ist

VW

Dass die realen Emissionen von Dieselmotoren nicht dem entsprechen, was im Prüfmodus an Stickoxiden gemessen wird, ist keineswegs eine Neuigkeit. Zuletzt  hielt eine Studie des International Council on Clean Transportation im Oktober 2014 fest, dass der tatsächliche Stickoxid-Ausstoss aktueller Diesel-Fahrzeuge sieben Mal höher liegt als die “Euro 6” Norm vorschreibt.  Und das nicht nur  bei VW-Motoren. Noch beschwören BMW, Mercedes und andere Hersteller zwar, dass die keine Tricks angewendet haben, um ihre Diesel bei der Zertifizierung durch die Zulassungsbehörden “clean” erscheinen zu lassen – besonders glaubhaft scheint das aber nicht.

Bei VW soll die Motorsteuerungs-Software, die den Prüftstand erkennt und den Stickoxid-Output reduziert, schon seit 2005 eingebaut sein und  weil das wahrlich kein programmiertechnisches Hexenwerk  darstellt, ist davon auszugehen, dass die Kokurrenz nicht seit 10 Jahren schläft und derlei kleine (Betrugs-)Helferlein ebenfalls eingebaut hat. Und auch davon, dass Ministerien und Zulassungsbehörden nicht erst seit einer Woche davon wissen, dass in Sachen Verbrauch und Abgas geschummelt und geschönt wird was das Zeug hält,  und die Vollgas-Lobby  – die dunkle Seite der Macht – bisher mächtig genug ist, damit durchzukommen.

Für die von diversen Konspirationisten vorgebrachte Mutmassung, dass die fiesen Amis Deutschland abstrafen wollen und deshalb VW an den Pranger stellen, gibt es keinerlei Indizien – sehr viel wahrscheinlicher ist, dass es sich um branchenüblichen, markenübergreifenden Betrug, also um organisierte Kriminalität,  handelt, und der VW-Konzern als zweitgrößter Hersteller der Welt eben nun als erster erwischt worden ist.   Auch wenn der sog. “Motor-Journalismus” notorisch korrupt ist,  sollte man schon sehr bald damit rechnen, dass auch die Abgasreinigung anderer Hersteller genauer unter die Lupe genommen wird und ähnliche Hintertüren offenbart.

Überraschend wäre das nicht, denn wer kann schon zulassen, dass die Dieselmotoren der Mitbewerber um ein Vielfaches “sauberer” sind als die eigenen. Sehr überraschend dagegen wäre, wenn VW technisch derart hinterherhinkte, dass sie auf faule Tricks angewiesen wären, während die Konkurrenz  – die ja ebenfalls die von Bosch stammenden Katalysatoren oder vergleichbare Technik einsetzt – die Abgastests ohne Manipulation locker besteht.

Also: Dieselgate ist keine Verschwörung gegen VW und Deutschland – auch Hyundai und Kia wurden von der US-Umweltbehörde schon beim Schummeln erwischt – sondern hoffentlich der Anfang vom Ende des systematischen Betrugs der Auto-Industrie, dem die Verbraucher seit Jahrzehnten ausgesetzt sind:  durch völlig realitätsferne, desinformierende Verbrauchs, -und Emissions-Angaben.  Dass sich der Ex-VW-Boss Winterkorn stets für das TTIP-Abkommen inkl. privater Schiedsgerichte ausgesprochen hat, macht da absolut Sinn: er hätte dann dort gegen die strengen kalifornischen Abgasregelungen vorgehen können, die geschäftsschädigend für  den Umsatz mit Diesel-Autos sind.

Die größte Rauschgiftparty der Welt

5272-DrugWarVor 18 Jahren, am 20.9.1997, berichteten Manfred Kriener und Walter Saller auf der Titelseite der “taz” über die Exzesse bei der “Massenintoxination in München”, dem Oktoberfest. Vor fünf Jahren nahm ich ihren Bericht – zusammen mit einem  Report über eine Goa-Partyin mein Buch“Die Drogenlüge”  auf.  Hier aus aktuellem Anlass ein Re-Post dieses wunderbaren Texts über die “weltweit größte Orgie mit Suchtmitteln”, die  gerade wieder in der bayerischen Landeshauptstadt tobt:

“Schwerste Exzesse von voraussichtlich mehr als sechs Millionen Drogengebrauchern werden beim heute beginnenden sogenannten Oktoberfest in München erwartet. 16 Tage und Nächte lang trifft sich auf der Theresienwiese eine internationale Drogenszene zur weltweit größten Orgie mit Suchtmitteln. Die Polizei rechnet mit täglich Zehntausenden von berauschten Probierenden und Dauerkonsumenten aller Altersstufen. Die Rettungsdienste halten rund um die Uhr ein massives Aufgebot an Hilfskräften in Bereitschaft. Allein das Bayerische Rote Kreuz (BRK) hat nach Auskunft von Sprecherin Helge Walz 73 Ärzte und 831 Sanitäter und Schwestern im Einsatz. In den Kliniken stehen Notfallbetten zur Behandlung akuter Intoxikationen, rauschbedingter Psychosen und Verletzungen bereit. Chillout- Räume mit „Ausnüchterungsliegen“ wurden beim „Schottenhammelzelt“ auf dem Festgelände eingerichtet. Die stark ritualisierte Drogenaufnahme der Abhängigen beginnt heute um 12 Uhr mit dem gewaltsamen Öffnen eines riesigen Holzzubers, in dem sich große Mengen der psychoaktiven Substanzen befinden. Unter Aufsagen kultischer Formeln („O`zapft is!“) beginnt der Missbrauch.Continue reading →