(Mit 3 Updates) “Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.” Ähnlich wie der Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes stellen auch die Verfassungen vieler anderer Länder in Europa, den USA und dem Rest der Welt die Menschenwürde als höchstes Gut unter ihren besonderen Schutz. Angesichts der dank Edward Snowden bekannt geworden fächendeckenden Ausspähprogramme des US-Geheimdienstes NSA und des britischen GCHQ, an dem auch zahlreiche weitere europäischen Dienste einschließlich des BND beteiligt sind, stellt sich die naheliegende Frage, ob das massenhafte Überwachen des Telefon,-und Mailverkehrs mit der Unantastbarkeit der Menschenwürde vereinbar ist – und wenn schätzungsweise 98 von 100 Juristen dies verneinen, wie es dazu kommen konnte, dass ein derart massives Überwachungsprogramm überhaupt Realität wurde ? Es geht ja nicht darum – wie Un-Journalisten und Regierungs-Stenographen sich nach wie vor nicht entblöden zu behaupten – dass Geheimdienste sich für das interessieren, was im Internet, auf Facebook und in Blogs von Millionen Menschen veröffentlicht wird, es geht darum, was sie NICHT veröffentlichen, sondern was sie über Telefon, Handy, Skype oder email anderen Menschen – Verwandten, Freunden, Kollegen oder Geschäftspartnern – mitteilen: Privates, Vertrauliches, Intimes. DAS ist es was die Verfassung, neben der körperlichen Unversehrtheit, unter Menschenwürde versteht – und diese laut Verfassung unantastbare Würde wird durch das massive Ausspähprogramm der NSA, die allein in Deutschland bis zu 20 Millionen Telefonate pro Tag abschnorchelt, massiv verletzt. Dass auch Büros der EU, Botschaften und andere politischen Institutionen davon betroffen sind, wird zwar von Politikern aller Fraktionen derzeit besonders empört kritisiert, ist aber doch nur ein Nebenaspekt des Skandals, die Bevölkerung insgesamt und durch die Bank zu überwachen und zu kontrollieren. Doch dagegen hatten deutsche Politiker schon vor 15 Jahren nichts einzuwenden, als das vergleichsweise kleine Echelon-Programm der Amerikaner und Briten bekannt wurde – weshalb die jetzt einsetzenden parteipolitischen Wahlkampfgeplänkel, wer wann wieviel wußte, einfach nur lachhaft sind. Jede Partei, die in Deutschland regierte oder mitregierte, hat die “amerikanischen Freunde” immer machen lassen und – sofern es gewünscht war- mitgemacht. Das war im kalten Krieg so, das war nach der Wende so, als Rot-Grün mit in die NATO-Kriege marschierte, das war nach 9/11 so, als Flugdaten, Bankdaten und Gottweißwas aus “Sicherheitsgründen” freiwillig zur Verfügung gestellt und Rendition-Flüge von deutschem Boden ebenso abgenickt wurden wie die Tatsache, dass sich die Abu Ghraib Folterbrigaden in Wiesbaden regenerierten – und das war natürlich auch bei den permanenten Lauschangriffen so. Deshalb ist die aktuelle Empörung der deutschen Politiker zu einem Großteil auch nichts anderes als Heuchelei und die Konsequenzen ihrer angekündigten Proteste werden – dafür brauchts keine Prophezeiungsgabe- mehr oder weniger gleich Null sein. Oder glaubt wirklich jemand an ersntshafte Konsequenzen, die ja nur so aussehen könnten, dass England aus der EU geworfen wird und Deutschland aus der NATO austritt und sich den blockfreien Staaten anschließt ?
Ebenfalls leicht vorherzusagen ist, was Amis und Brits bei den angekündigten “Gesprächen” mit ihren bespitzelten “Partnern” tun werden, um die Wogen ein bißchen zu glätten und “Vertrauen wieder herzustellen” (Merkel): sie werden die 9/11-Karte wedeln und gut ist’s…Schon hat die Oberpfeife der Nation, Joachim Gauck, in Sachen Edward Snowden eilfertig kund getan, dass er für “puren Verrat” kein Verständnis hat, was bei dem ehemaligen IM Larve zwar nicht weiter überrascht (einmal Stasi – immer Stasi), auf der in “Gauck” gemessenen, nach oben offenen Schleimspur-Skala aber eine neue Top-Marke setzt. Scheinbar ehrenwert klingt da im Vergleich die Forderung des Grünen-Chefs Jürgen Trittin, der Asyl für Ed Snowden in Deutschland oder Europa fordert, was man dem guten Mann nun aber (siehe oben) wahrlich nicht empfehlen kann. Angeblich hat Snowden mittlerweile in 15 Ländern um Asyl nachgesucht, wobei er bis dato nur eine Zusage von Russland haben soll, was Russia Today allerdings dementiert. Laut dpa soll Putin gesagt haben : “Wenn er hier bleiben möchte, gibt es eine Bedingung: Er sollte mit seiner Arbeit aufhören, die dagegen gerichtet ist, unseren amerikanischen Partnern Schaden zuzufügen – so merkwürdig sich das aus meinem Mund auch anhören mag.” In der Tat merkwürdig: Maulkorb für Whistleblower in Russland, Folter und lebenslanger Knast in den USA – der Mann, der die Welt über die Verbrechen des unsichtbaren Imperiums aufgeklärt hat, ist wahrlich nicht zu beneiden. Dass er sich seit Wochen im Transitbereich des Moskauer Flughafens aufhalten muß ist eine unsägliche Schande…
UPDATE: Wikileaks hat am Montagabend ein Statement von Edward Snowden veröffentlicht, sowie eine Liste von 21 Ländern, in denen er Asyl beantragt hat, darunter auch Deutschland.
UPDATE 2: Deutschland hat den Asyl-Antrag abgelehnt, was ja zu erwarten war. Wer die illegalen Kriege des großen Bruders USA freundlich unterstützt, hat auch gegen andere kriminelle Menschrechtesverstöße nichts einzuwenden, geschweige denn die Eier in der Hose zu ihrer Aufklärung und Beendigung irgendetwas beizutragen. Und was machen eigentlich die Spesenritter der UN ? Können die, außer von “Zivilgesellschaft” faseln, auch mal einen Handschlag tun und dem Mann einen Pass ausstellen und für seine Unversehrtheit sorgen? Das würde die globale Zivilgesellschaft dem aufrechten Zivilbürger Ed Snowden nämlich längst schulden…
UPDATE 3: Die aus Russland kommende Maschine des bolivianischen Präsidenten Morales wurde in Wien zur Landung gewungen, weil Frankreich und Portugal die Überflugrechte verweigert hatten – aufgrund des Gerüchts, Edward Snowden sei an Bord der Maschine. Ganz großartig – und man muß ja schon dankbar dafür sein, dass Obama nicht gleich den Abschuss der Maschine befohlen, sondern nur die franzöischen und portugiesischen “Freunde” animiert hat, denn ein Gerücht, ein vager Verdacht, eine windige Verschwörungstheorie sind ja bekanntlich vollkommen ausreichend, um Menschen per Drohne ins Jenseits zu befördern. Wem diese Nachricht noch nicht reicht, um das Frühstück wieder hochzuwürgen, kann sich hier noch den Kommentar des Innenpolitik-Chefs der FAZ geben.