Techniken des Meinungs- und Empörungsmanagements

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Wie lassen sich “politisch nachteilige” Fragen kognitiv und moralisch unsichtbar machen ? Wie kommt es, dass die 20-30 Millionen Toten, die in den US-geführten Kriegen seit 1945 produziert wurden, in der öffentlichen Wahrnehmung kaum vorkommen ? Warum schweigen die Lämmer ? Um Fragen wie diese und die Techniken des Meinungs- und Empörungsmanagements geht es in dem Vortrag des Psychologen Rainer Mausfeld an der Uni Kiel, den ich unbedingt empfehlen möchte. Auf den Nachdenkseiten, wo ich den Vortrag gestern entdeckte, gibt es auch noch einige schriftliche Handreichungen dazu.  Für jede/n, der oder die “irgendwas mit Medien” zu tun hat, sollte dies eine einstündige Pflicht-Vorlesung sein – und wer die Diffamierung “Lügenpresse” einerseits als dumpf und zu pauschal empfindet, andererseits aber auch ahnt, dass sie einen wahren Kern hat, kann hier über die Methoden des medialen Zaubers, des Unsichtbarmachens unerwünschter Fakten und die Steuerung öffentlicher Wahrnehmung einiges lernen.

Diplomatie vs. Durchmarsch

Es gibt noch gute Nachrichten und der Atom-Deal mit dem Iran ist eine solche.  Iran wird in den kommenden Jahrzehnten kein Spaltmaterial für Atomwaffen herstellen und stellt seine Anlagen unter internationale Aufsicht. Dass mit diesem Vertrag eine Befriedung der Konfliktherde im Nahen Osten endlich in Sicht kommen könnte – das ist die Hoffnung mit der dieser Deal weltweit begrüßt wurde. Außer von einigen rechtsauslegenden Republikanern in den USA, die sich im Wahlkampf gegen Obama in Stellung bringen, sowie natürlich von Israels Präsidenten Netanjahu, der die Einigung als “historischen Fehler”  bezeichnete. “Mit einem einzigen kalten, grausamen Federstrich haben ihm die Anführer der Welt sein liebstes Spielzeug weggenommen”, spottete die Zeitung “Haaretz” über die Obsession ihres Präsidenten für die nicht vorhandenen Waffen. Dieser hat  jetzt die “Mutter aller Lobbyschlachten” angekündigt hat, um die Zustimmung zum Vertrag im US-Kongress zu verhindern. Doch die Millionen und neue lustige Cartoons kann sich  die Israel-Lobby wahrscheinlich sparen. Denn Obama hat in Wien schon angekündigt, dass er gegen ein Nein des Kongresses ein Veto einlegen würde und im Übrigen sicher sei, dass eine Mehrheit für den Vertrag zustande kommt – wie Pepe Escobar berichtet:  “US President Barack Obama preferred to stress — correctly — that every pathway to an Iranian nuclear weapon has been cut off. And he vowed to veto any legislation in the US Congress that blocks the deal. When I was in Vienna last week I had surefire confirmation — from a European source — that the Obama administration feels confident it has the votes it needs in Capitol Hill.”Continue reading →

Pickelhauben-Merkel ersetzt Brandt auf Knien

13.07.15 19:04-Bildschirmkopie

Es gibt Tage, da ist die taz noch richtig gut, ja, visionär – wie mit diesem Titel vom 5. Januar 2015, der morgen noch einmal erscheinen könnte. Und es gibt Tage, da ist auch die FAZ richtig  gut, zumindest ihr Blogger Don Alphonso, der darlegt, warum mit dem deutschen Durchmarsch bei den Verhandlungen in Brüssel der häßliche,  hartherzige, herrschsüchtige Deutsche wieder Auferstehung feiert: wir haben “keinen Brandt auf Knien mehr, sondern Pickelhauben-Merkel.”:
„Vertraut uns“, war das Credo der deutschen Europapolitik der letzten 70 Jahre. „Befolgt unsere Anweisungen, wenn ihr wollt, dass wir euch vertrauen“, ist das neue Motto, und leider ähnelt es dem, was davor unter dem Joch der Deutschen in Konflikten üblich war. Das deutsche „Nie wieder“ hat ein Kleingedrucktes mit Ausnahmen bekommen, heute Nacht in Brüssel, und es könnte von Oswald Spengler geschrieben sein.”Continue reading →

Bedingungslose Kapitulation

Da wir hier schon länger davon ausgehen, dass es keinen Grexit gibt, werden die heutigen Verhandlungen in Brüssel auch keine besonderen Überraschungen bringen. Auch der rollende Gollum Schäuble wird sich mit einem Ausschluss auf Zeit nicht duchsetzen. Die Tsirpas-Regierung hat sich dem Diktat der “Institutionen” gebeugt, das Debakel der vergangenen fünf Jahre wird also nochmals verlängert und da man alles was künftig passiert nunmehr einer linken Regierung anlasten kann, wird diese sich wohl nicht lange halten können. Da es dem Patienten, den die verordnete Austeritäts-Medizin stetig kränker gemacht hat, nun natürlich nicht besser geht weil er sie weiter schlucken muss, kann auch der beste Chefarzt nichts richten. Doch nach dieser bedingungslosen Kapitulation ist das Drama nicht zu Ende, denn einen “Marshall-Plan” wird Griechenland nicht bekommen, selbst wenn die Syriza-Regierung alles unterschreibt was die “Siegermächte” heute vorlegen. Mit einem solchen Aufbau-und Investitionsprogramm kann wohl allenfalls eine Nachfolgeregierung rechnen.

Warum es keinen Grexit geben wird

Dass es zu einem Grexit so bald nicht kommen wird, hatten wir ja schon vor dem Referendum vermutet –  und auch dass danach neue Verhandlungen stattfinden werden, wie sie aktuell in Brüssel begonnen haben. Der Grund, warum den Griechen kein Rauschmiss aus der Euro-Zone droht, hat wenig mit Ökonomie, aber viel mit Geopolitik zu tun. Für das Imperium in Washington ist Griechenland aus strategischen Gründen unverzichtbar und weil klar ist, wer sofort mit Krediten bereit steht, falls Brüssel den Griechen die Tür zuschlägt und unbedingt verhindert werden muss, dass Russen und Chinesen einen Fuss in diese Tür kriegen, werden die Verhandlungen zäh aber am Ende erfolgreich enden. Die Börsen, die auf das klare “Oxi” aus Athen völlig entspannt reagiert haben deuten das ebenso an wie der  – in dem von der EU bis nach dem Referendum zurückgehaltenen IWF-Memo – schon signalisierte notwendige Schuldenschnitt. Da mögen die Griechen-Basher und Pickelhauben-Demagogen von “Bild” bis CSU noch so sehr hetzen und schäumen – auf der Atlantik-Brücke hat immer noch Uncel Sam das Sagen und der läßt auf dieser Bastion im Mittelmeer garantiert nichts anbrennen.Continue reading →

Ostrakismos sagt “Oxi” !

Bürger, die zu reich und zu mächtig geworden waren und dem demos, dem Volk,  “Unrecht tun”, konnten im Athen des 5. Jahrhunderts v.Chr. dem “Ostrakismos” unterzogen und mit zehnjähriger Verbannung aus der Stadt bestraft werden. Weil bei dieser Volksabstimmung der Name des zu Verbannenden auf Tontäfelchen geritzt wurde  – teilnehemen durfte jeder, der schreiben konnte – heißt das Verfahren bis heute Scherbengericht. Anders als bei Gerichtsverfahren behielt der Verurteilte seine Rechte und sein Eigentum,  jegliche Einmischung in öffentliche Angelegenheiten und ein Wohnsitz in der Stadt aber waren verboten. Es scheint, als hätte sich die junge Demokratie mit dieser besonderen Methode eine Art Immunsystem verschafft, mit dem sie zu starke Einmischungen der Reichen in das politische System ebenso abwehrte wie lähmende Flügelkämpfe zwischen verschiedenen Parteien durch die Verbannung eines Streithahns. Auch grundlegende Richtungsentscheidungen – wie etwa die Aufrüstung der Flotte – wurden per Scherbengericht getroffen.

Soeben  (19:24)  meldet dpa, dass bei dem aktuellen Referendum zum Troika-Angebot  59,6 % mit “Nein” gestimmt haben. Selbst mit dem Unsicherheitsfaktor einer ersten Hochrechnung scheint das ein glasklares Votum – nicht gegen die EU und den Euro, aber gegen die katastrophale Politik die in Griechenland durchexerziert werden sollte. Nicht Europa und die Demokratie haben heute abend die rote Karte bekommen, sondern die Finanz-Oligarchie und ihre politischen Handlanger. Jetzt wird neu gemischt und neu verhandelt – und die Botschaft aus  Berlin kann nur lauten: Griechenland hat mindestens denselben Schuldenschnitt verdient wie ihn die Griechen Deutschland vor 50 Jahren gewährten. Wird Zeit, dass Mutti Merkel zur Urenkelin Adenauers mutiert…

 

…und die Stimmen zählt: Goldman-Sachs

“Die Leute, die die Stimmen abgeben, entscheiden nichts. Die Leute, die die Stimmen zählen, entscheiden alles.” Die dem Diktator Josef Stalin zugeschriebene Erkenntnis sollten wir im Hinterkopf behalten, wenn Griechenland morgen… nicht über den Austritt aus der EU oder dem Euro abstimmt, sondern über die Annahme oder Ablehnung des Austeritäts-Diktats der Troika. Denn die Auszählung der Stimmen wird von “Singularlogic” übernommen – einer US-Firma mit engsten Verbindungen zu Goldman-Sachs. Also zu eben jenen Bankern, die seinerzeit unter Mario Draghi die Bilanzen Griechenlands so manipulierten, dass der Eintritt in die Euro-Gruppe überhaupt erst möglich wurde:
“Zwischen 1998 und 2009 unterstützte Goldman Sachs mittels undurchsichtiger Buchhaltungstricks Griechenland dabei, die Hälfte seines öffentlichen Defizits zu verstecken. Diese finanziellen Konstrukte verhalfen Griechenland zum Beitritt in die Eurozone. Daraufhin spekulierte Goldman Sachs allerdings gegen griechische Staatsanleihen. Als die Tricks aufflogen, war Goldman Sachs reicher, Griechenland hingegen war ruiniert. Goldman Sachs unmittelbarer Gewinn aus diesem Geschäft belief sich auf mindestens 600 Millionen US-$. Griechenland hingegen schuldet der Bank 400 Millionen US-$ pro Jahr bis 2037.”
Dass eine mit Goldman verbandelte Firma jetzt die Zählung des Referendums durchführt  zeigt, wie weit sich die Macht der Finanzinstitutionen erstreckt. Die Griechen sind ihnen in jeder Hinsicht ausgeliefert. Und wenn es nicht reicht, dass derselbe Mario Draghi via EZB nun dafür sorgte, dass die griechischen Geldautomaten dicht gemacht und Angst und Panik im Lande verbreitet wurden, wenn die Griechinnen und Griechen sich nicht irre machen lassen von diesen Erpressungsmethoden, weil sie das Rechnen nicht verlernt haben, wenn also viele mit “Oxi” stimmen, dann wird bei einem knappen Ergebnis das Zünglein an der Wage von höchster Relevanz. Und die Leute, die die Stimmen zählen, entscheiden alles… Also könnte eine knappe Mehrheit für ein Ende mit Schrecken möglicherweise nicht einmal reichen, weil die Freunde der Schockstrategie, die auf Schrecken ohne Ende setzen die Zahlen genauso frisieren wie damals, als sie Griechenland in ihre Falle lockten…

Demokratie ist Ramsch

-crisis_0Dass die griechische Regierung ihr Volk befragen will, bevor sie den Konditionen der ehemaligen Troika zustimmt, wurde von der hiesigen Regierung und ihren öffentlich-rechtlichen Lautsprechern als Unverschämtheit gewertet – das Wort “Demokratie” in den Mund zu nehmen gilt mittlerweile als Majestätsbeleidigung. Schon vor vier Jahren, als die vorherige Regierung das Volk befragte und die Majestäten – die internationalen Finanzinstitutionen – verstimmt reagierten, konnte Frank Schirrmacher in der FAZ nur konstatieren was unter der Diktatur der Finanzmärkte aus der besten aller Regierungsformen geworden ist: “Demokratie ist Ramsch”. Die massiven Diffamierungen, denen ein demokratisch gewählter Präsident ausgesetzt werden kann, weil er seinem Wahlvolk (hier die TV-Rede von von Alexis Tsipras vom Wochenende) die Vertrauensfrage stellt,  deuten an, dass  “Ramsch” mittlerweile  noch zu positiv klingt und durch “Schrott”; “Müll” oder dgl.  ersetzt werden sollte.Continue reading →