Diskurshygiene in der Konsensfabrik

“Die Politik predigt Alternativlosigkeit, und die Medien skandalisieren jede Tabuverletzung. Es ist kein Wunder, dass immer mehr Bürger vom “System” frustriert sind”, notierte unlängst “Die Zeit” und führte zur Erklärung aus: “Offenbar ist im Zuge der Entideologisierung, Entfeindung und Versachlichung der deutschen Politik das Spektrum tolerierter Positionen immer enger geworden. Das betrifft nicht allein die Politik. Denn sosehr die Öffentlichkeit inzwischen allergisch reagiert, wenn “alternativlose” Politik durchgesetzt wird, so sehr hat sich zwischen Politik und Medien eine stille Übereinkunft über legitime politische Vorstellungen gebildet. Und während die Medien seit Jahren die “Langeweile” der Politik bejammern, haben sie zugleich leidenschaftlich die Rolle des Grenzwächters übernommen. Politische Linientreue wird verhöhnt, Grenzverletzung jedoch gnadenlos skandalisiert. Die Medien, die den bleiernen Konsens kritisieren, sanktionieren zugleich seine Missachtung.”

So ist es – und wenn es selbstkrtitisch gemeint ist müßte sich an der “Zeit” so einiges ändern,   wobei es unter fortgesetzter Anwesenheit der transatlantischen Gatekeeper eine “Ausweitung der Kampfzone”, wie sie die Autoren fordern,  wohl nicht  geben wird. Weder bei der “Zeit” noch sonst irgendwo in   den “Leitmedien” genannten Konsensfabriken, deren Produkte bei den Verbrauchern derzeit auf wachsende Skepsis stossen. Und dies umso mehr, wie eine schwarz-rot-grüne Diskurzwalze alles plattmacht und skandalsiert, was sich dieseits und jenseits der Konsensautobahn bewegt. Da werden Großdemonstrationen von Bürgern mit Frustrationshintergrund (“Pegida”) dann komplett als Naziaufmärsche denunziert, Montagsdemos mit alternativ-friedensbewegtem Hintergrund als Zirkus von Verschwörungsspinnern und Reichsbürgern heruntergeschrieben und der allgemeine Unmut über die einseitige Ukraine/Russland-Berichterstattung als perfides Werk von Kreml-Agenten und Putin-Trollen dargestellt. Dies alles im Namen der Aufklärung und der Vernunft, jedoch, so hieß es in der NZZ hierzu:  “Die Aufklärer, die hier auftreten, reden im Gestus strenger Kolonialoffiziere, die ihren noch immer nicht diskurshygienisch stubenreinen Eingeborenen die Leviten lesen, aber auf keinen Fall zuhören wollen.” Und weiter:

“In einer kuriosen Volte geriert sich als faktisch konservatives Establishment, was sich vom Selbstverständnis her eher linksliberal und grün-alternativ fühlt. Der Medienanalytiker Lutz Hachmeister spricht von einem «bürgerlichen Zentrismus», der den deutschen Medienkonsens seit geraumer Zeit präge. Legitime Publizistik darf nach der Überzeugung dieses Juste Milieu nur in den Grenzen seiner Wahrnehmungs- und Urteilsmuster stattfinden. Dabei sind die Konturen der einzelnen Medien ebenso abgeschliffen wie im überwältigenden sozialdemokratisch-ökologischen Konsens der deutschen Politik, an den sich Medien gern anlehnen. Explosive Konfliktthemen werden gern ausgeschlossen, wenn ihre öffentliche Erörterung als «nicht hilfreich» gilt. Polarisierungen werden lieber künstlich erzeugt und in Debatten mit bekannter Dramaturgie übergeführt.”

mediahostilityDiese Grenzen der Wahrnehmungs- und Urteilsmuster sind eng gesteckt, Dissens kläßt der schwarz-rot-grün-liberale Zentrismus nur in homöpathischer Dosierung zu. Über den westlichen Kuschelkurs mit der Marionettenregierung in Kiew und ihren Nazi-Bataillonen darf man zwar die Nase rümpfen, ernsthafte Kritik und gar die Forderung von Konsequenzen aber sind Tabu: das würde “einen Keil ins westliche Bündniss” treiben und sowas geht gar nicht. Weshalb der Putsch in Kiew eben auch keiner sein darf.  Über Sinn und Unsinn der NATO zu diskutieren ist “nicht hilfreich”; ebensowenig wie die von deutschen Standorten koordinierten Drohnenmorde Obamas anzuklagen, weil sie gegen Verfassung und Völkerrecht verstossen;  wer  Aufklärung der 9/11-Verbrechen, der Initialzündung des “Gobal War On Terror”, fordert, ist als Opfer “kruder Verschwörungstheorien”  diskurshygienisch disqualifiziert, wer die internationale Finanzelite und das Federal Reserve-System kritisiert wird in eine Schublade mit Antisemiten und Holocaustleugnern gesteckt. Empörung ist angesagt, wenn das Assad-Regime die eigene Bevölkerung bombardiert, wenn Nethanjahu oder Poroschenko es tun: Bitte weitergehn, hier ist nichts zu sehen!

Von der CSU bis zu den Grünen, von der Seidel,-bis zur Böll-Stiftung zieht sich der konsensuale Einheitsbrei,  die Medien von FAZ bis taz, von Bild bis Spiegel, von ARD bis Super-RTL rühren ihn täglich neu an und dass die meisten Journalisten dann klingen wie Regierungssprecher wundert bei dieser supergroßen Konsenskoalititon dann auch nicht mehr.  Erstaunlich ist aber dann doch, dass sich die deutschen Medien bei ihrer Polarisierung in Sachen Russland offenbar noch päpstlicher als der Papst in Washington geben. Dies ist das Ergebnis einer Studie über die Russland-Berichterstattung in den globalen Medien, die anhand des Verhältnisses von neutralen zu negativen Beiträgen einen “Feindlichkeits-Index” erstallt hat: noch vor den USA ist hier Deutschland Weltmeister. Da die Studie von einem russischen Thinktank erstellt wurde ist ja klar, dass es sich um Kreml-Propaganda handeln muß. Einseitigkeit und vorurteilstriefende Berichterstattung lassen sich unsere Medienmacher ungern nachsagen – “Lügenpresse” sind immer die anderen. Und doch lesen sich die hiesigen Artikel über den bis dato völlig ungeklärten Mord an dem Oligarchen und Oppositionspolitiker Boris Nemzov, als sei Putins Pass im Fluchtauto gefunden worden….

Alles außer 9/11

wtcDie Zeitschrift ÖkologiePolitik hat mich zum Thema Medienmainstream und Verschwörungstheorien befragt.

Herr Bröckers, woher kommt Ihr großes Interesse an Verschwörungstheorien?

Mathias Bröckers: Eigentlich interessieren mich Verschwörungstheorien nicht. Zumindest nicht in dem Sinne, dass ich selber wild spekuliere und welche aufstelle. Was mich interessiert, das sind von staatlicher Seite verbreitete Verschwörungstheorien – deren Ungereimtheiten und die Methoden ihrer Verbreitung. Und was mich motiviert, das ist die unglaubliche Bereitschaft der Massenmedien, die offiziellen Verschwörungstheorien ohne kritisches Nachdenken zu übernehmen und wiederzugeben.

So wie nach den Attentaten des 11. September 2001?

Ja, genau. Mein Buch widmet sich nur der offiziellen Darstellung der Geschehnisse und zeigt in 38 Kapiteln jeweils eine Ungereimtheit. Und jede würde in einem normalen rechtsstaatlichen Prozess zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens führen. Wer sich nur für wenige Stunden nüchtern und vorurteilslos mit den Lücken, Widersprüchen und Unklarheiten im 9/11-Abschlußbericht beschäftigt, der erkennt, dass die Geschichte, die uns erzählt wurde, nicht wahr sein kann. Doch kann es meiner Meinung nach nicht darum gehen, der offiziellen Verschwörungstheorie neue inoffizielle Verschwörungstheorien entgegenzusetzen. Die „9/11-Truther“ tun das teilweise – und verstricken und zerstreiten sich dabei. Ohne die Macht und die Mittel eines unabhängigen Gerichts kann die Wahrheit nicht ans Licht kommen.

Was sind von 38 Ungereimtheiten die seltsamsten?

 Neunzehn Hijacker mit Teppichmessern schaffen es, vier Flugzeuge zu entführen, die Luftabwehr stundenlang am Boden zu halten und drei Wolkenkratzer zu pulverisieren, obwohl sie nur zwei getroffen haben.  Und der dritte Turm, das WTC 7, stürzt quasi im freien Fall zusammen – das ist schon sehr merkwürdig. Noch merkwürdiger ist, dass die BBC den Einsturz des WTC 7 schon 20 Minuten vorher meldete und dass die Berechnungen, die den offiziellen Gutachten zum Einsturz der Türme zu Grunde liegen, nicht veröffentlicht werden weil dies gegen die „nationale Sicherheit“ verstoßen würde.

Sie begannen schon am Tag nach den Anschlägen mit einer Artikelserie, die sich kritisch mit den offiziellen Darstellungen befasste. Warum?

Ich wunderte mich, warum schon nach 45 Minuten erstmals der Name „Osama Bin Laden“ und dann immer wieder, irgendein anderer Verdacht wurde nie genannt und nach ein paar Stunden stand der „Täter“ quasi schon fest. Da schien mir etwas faul zu sein, zumal Bin Laden dann in einem Interview zwei Tage später jede Tatbeteiligung explizit abstritt. Kaum glaublich schien mir auch  das wichtigste Beweistsück für den „islamistischen“ Hintergrund der Tat, der Koffer von Mohamed Atta, der zufällig als einziger des gesamten Passagiergepäcks in Boston geblieben war und Beweistücke wie sein Testament, einen Koran und eine Anleitung für das Fliegen von Boeings enthielt. Das schien klar auf eine gelegte Spur zu deuten, denn warum nimmt jemand bei einem Selbstmordattentat sein Testament im Koffer mit ?

Warum wurde die offizielle Darstellung praktisch von allen Massenmedien völlig kritiklos übernommen?

Das habe ich mich angesichts solcher offensichtlicher Ungereimtheiten, die ja jedem Journalisten hätten auffallen müssen, auch gefragt. Dass ihnen nicht nachgegangen wurde hat vermutlich damit zu tun, dass sie  sich in eine Art patriotischen Kriegsrausch versetzt sahen. Dan Rather etwa, der Nachrichtenchef von CBS, meinte damals: „George Bush ist der Präsident. Er trifft die Entscheidungen – und wie es sich für einen Amerikaner gehört: Wo immer er mich haben will, ich reihe mich ein, sag mir nur, wo.“ Eine solche Haltung hat mit unabhängigen Journalismus natürlich nichts mehr zu tun und Dan Rather, später dazu befragt, sagte: „Es beginnt mit einem patriotischen Gefühl in einem selbst.“ Irgendwann finde man sich dann in der Situation, in der man zu sich selbst sage: „Ich weiß zwar die richtige Frage, aber es ist vielleicht jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, diese Frage zu stellen.“ So ging es wohl den meisten Journalisten – auch dem Redakteur eines ARD-Radios, für dessen Sendung ich jahrelang geschrieben hatte und der zu mir sagte: „Du kannst jedes Thema machen, nur nicht 9/11“.  Er wusste, wenn er mich die  „richtigen Fragen“ senden läßt, steht 10 Minuten später die Sendeleitung auf der Matte und macht ihm Ärger und Stress…

Das gesamte Interview  (als pdf) hier.

Ein ungedeckter Realitätscheck

Als “Handreichung”  hat das Auswärtige Amt  kürzlich ein Papier herausgegeben –  “Realitätscheck: Russische Behauptungen – unsere Antworten” –  mit dem Parlamentariern und Beamten erleichtert werden soll, das in der Bevölkerung verbreitete Mißtrauen gegenüber der Berichterstattung und der Politik in Sachen Ukraine zu kontern. Hatte Minister Steinmeier im vergangenen November noch registriert, dass die Glaubwürdigkeitskrise der Presse möglicherweise damit zusammhängt,  dass in Sachen Russland/Ukraine “eine erstaunliche Homogenität in deutschen Redaktionen” herrscht, versucht  sein Amt mit diesem Papier nun offensichtlich, diesen schmetternden Gleichklang weiter zu befördern. Entsprechend dankbar wurde es in den Redaktionen aufgenommen, die die vermeintlich “russischen” Behauptungen denn auch  begeistert zu “Putins Mythen” (Spiegel Online), “Moskaus Propaganda” (Die Welt) oder  “Moskauer Mythen” (Süddeutsche Zeitung) zuspitzten. Und somit gleich klar machten, dass dem propagandistischen Mythen-Gezücht des Kreml hierzulande natürlich nur die reine, faktengesättigte Wahrheit gegenübersteht.

Kollege Paul Schreyer hat den  Realitätscheck des AA gecheckt und siehe da: der Scheck ist nicht gedeckt. Die entscheidenden Fragen, wie die nach der Legitimität des Machtwechsels in Kiew, werden nicht klar beantwortet, oder – wie die nach der Verantwortung für die Brandbeschleuniger der Krise – Maidanmorde und MH-17-Abschuss –  erst gar nicht thematisiert. Was aber ist das für eine “Realität”, wenn das Ereignis, das den gewaltsamen Machtwechsel und die Rebellion in der Ostukraine und auf der Krim auslöste, ausgeblendet wird;  welche  “Realität” wird hier auf ihren Wahrheitsgehalt gecheckt,  wenn der entscheidende Auslöser für die Wirtschaftsanktionen gegen Russland – der MH-17 Abschuss – gar nicht vorkommt ?  Richtig: mit der Wirklichkeit, mit dem was in der Ukraine geschah und geschieht, hat ein solcher “Realitätscheck” nichts zu tun. Es ist Propaganda. Aber ob sie  verfangen wird, ob  das “simila similibus” der Homöopathie funktioniert, ist fraglich. Denn das Mißtrauen der Bevölkerung ist nicht das Ergebnis russischer Gehirnwäsche, sondern der Penetranz, mit der Medien und Politik den Konflikt als Schwarz/Weiß/Film präsentieren. Die Leute wissen einfach, dass die Realität so nicht aussieht.

Marsch der Unwürde

Maidan, Odessa, MH-17 – ein Jahr, nachdem die Scharfschützen auf dem Maidan-Platz den gewaltsamen Machtwechsel  herbeiführten,  sowie dem folgenden Massaker  im Gewerkschaftshaus von Odessa und dem Abschuss der der malaysischen Boeing  MH-17,  lassen sich diese drei Massenmorde als die Brandbeschleuniger identifizieren, mit denen die Krise zum Krieg eskalierte. Keines dieser Verbrechen ist aufgeklärt, keiner der Täter oder Hintermänner wurde dafür zur Verantwortung gezogen, was nicht zuletzt zeigt, wie wenig es zum Jahrestag der “Revolution” zu feiern gibt. Regierungen, unter denen solche Massaker ungestraft durchgehen, werden normalerweise “Junta” genannt und sind in “Bananenrepubliken” angesiedelt. Dass ihnen nun ihn Kiew von diversen Politikvertretern  inkl. des unvermeidlichen Pastors Gauck die Aufwartung gemacht wird, um zum “demokratischen Aufbruch” zu gratulieren, entbehrt also nicht eines gewissen Beigeschmacks. Es sei denn, die Gratulanten faseln nicht nur von den Opfern “für Demokratie und Freiheit”, sondern fordern, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Was aber wohl nicht geht, denn die Indizien, wer für die Schüsse auf dem Maidan  verantwortlich war, verweisen sehr deutlich auf den “Rechten Sektor”, dessen Exponenten die zuvor wochenlang friedlichen Maidanproteste im Februar 2014 militarisierten  – und jetzt an entscheidenden Stellen in Kiew mitmischen.  Beim “Marsch der Würde” im Gedenken an die Opfer marschieren mit dem deutschen Bundespräsidenten  insofern wahrscheinlich auch die Täter mit.  Denn dass es so war, dass nicht die “Berkut”-Einsatztruppen Janukowitschs wahllos in die Menge feuerten, sondern von den pro-westlichen Nazitruppen angeheuerte Killer – das wird nicht nur aus dem Interview deutlich, dass die BBC unlängst mit einem der Schützen führte,  sondern auch  aus dazu passenden  Darstellungen des damals amtierenden Innenministers, den der “Spiegel” in einem aufschlußreichen Interview dazu befragt hat.  Die genaue Rekonstruktion der Ereignisse, wie sie der ukrainisch-kanadische Wissenschaftler Ivan Katchanovski  begonnen hat, ist von um so größerer Wichtigkeit je mehr die bananenrepublikanische Justiz der Ukraine den Fall unter den Teppich zu kehren gedenkt. Denn dies war der Auslöser für den gewaltsamen Sturm auf das Regierungsgebäude, die Flucht Janukowitschs und die verfassungswidrige Installation  der Jazenuk-Regierung. Diese Reihenfolge – der dann der Aufstand in der Ostukraine und die Abspaltung der Krim folgten – gilt es festzuhalten, wenn über Ursachen und Verantwortlichkeiten für den Krieg geurteilt wird, der sich aus diesen Ereignissen entwickelt hat. Den Opfern der Maidan-Morde zu gedenken ohne die Mörder zur Rechenschaft zu ziehen hat mit Würde wenig zu tun, dafür aber umso mehr mit Zynismus.

 

Die Wiederkehr der Hasardeure

“Wiederkehr der Hasardeure: Schattenstrategen, Kriegstreiber, stille Profiteure 1914 und heute” heißt das Buch von Wolfgang Effenberger und Willy Wimmer, das ich mit großem Gewinn gerade gelesen habe. Ein Geschichtsbuch, das nicht eine Revision der Kriegsschuldfrage anstrebt, sondern das Augenmerk auf die Hintermänner und Strippenzieher lenkt, die der aufstrebenden Kontinentalmacht Deutschland nicht anders als mit Krieg antworten konnten. Spannend an diesem ebenso weit gespannten wie fundierten historischen Panorama sind die Parallen zur heutigen Zeit, in die Willy Wimmer als ehemaliger Staatssekretär und OSZE-Vertreter von hoher politischer Warte Einblick nehmen konnte. Ken Jebsen hat mit ihm über das Buch gesprochen:

Lügenpressefreiheit!

history„Wir müssen uns damit auseinandersetzen, mit Misinformation, Infiltrierung und Verunsicherung“, sprach Medusa Merkel auf der Münchener Unsicherheitskonferenz.  Sie sei zutiefst besorgt über die „Verunsicherbarkeit unserer Gesellschaften.“ Der Grund für diese tiefe Sorge, nicht nur bei der Kanzlerin  sondern vor allem beim großen transatlantischen Bruder: der Iwan kann Internet und sät diabolische Zweifel. Auf dem von Brainwashington sauber durchgepflügten Informationsacker wuchert das Unkraut des Unglaubens,  nicht nur der linke und rechte Rand sind vom Virus der Skepsis erfasst, die Epidemie hat sich in die Mitte der Gesellschaft ausgebreitet. Auch in Bereichen, die bis dato von genmanipuliertem PR-Dünger derart druchdrungen waren, dass sie immun gegen jede Art von “Verunsicherbarkeit” schienen. Und jetzt das: fast zwei Drittel der Deutschen fühlen sich in Sachen Russland/Ukraine schlecht oder nur einseitig informiert. Aber nicht, weil sie von  “Feindsendern” wie rt oder irgendwelchen Blogs verunsichert wurden, sondern schlicht weil sie  ARD, ZDF, RTL etc. konsumieren oder Zeitung lesen. Und den Schwarz/Weiß-Film, der ihnen da auf allen Kanälen entgegenschwallt, nicht für die Realität halten und als Inszenierung durchschauen, was “Tageschau” und “heute” ihnen als Realität anbieten.

Diese “Misinformation” ist es, die auch gestandenen ARD-Veteranen wie Christoph Fröder oder Gabriele Krone-Schmalz die Haare zu Berge stehen läßt –  und nicht irgendwelche “Feindpropaganda”, die im Rahmen “hybrider Kriegsführung” im”Informationskrieg in die die Herzen und Hirne des Publikums infiltriert wird.  Auch viel gelesene Blogs wie die Propagandaschau, die Tag für Tag dokumentieren, wie in den gebührenfinanzierten Nachrichtenmanufakturen getrickst und getäuscht wird, sind für die allgemeine Verunsicherung nicht verantwortlich, sie liefern nur die Diagnose ihrer Ursachen: das Verschwinden grundlegender journalistischer Standards, die investigative Inssuffizienz von bis zur Halskrause “embeddedeten” Reportern,  die Propagandatöne, die die Berichtserstattung allüberall durchdringen, die Permanzenz und Penetranz des “Wir sind die Guten” und Putin und Russland  die allein Schuldigen und Bösen.Dieses Schattenspiel haben die Leute durchschaut, nicht nur in Sachen Ukraine lassen sie sich kein X für ein U vormachen sondern auch kein geheimes T-TIP für einen fairen und offenen Vertrag.  Nicht weil anti-amerikanische, vom Kreml bezahlte Trolle ihnen das einflüstern,  vielmehr trauen sie den Verlautbarungen der Regierenden und ihrer Lautsprecher in den Großmedien – den Mythen über die Ukraine –   nicht mehr, weil sie noch über einen halbwegs gesunden Menschenverstand verfügen.

Dass “Lügenpresse” kürzlich zum “Unwort des Jahres” gekürt wurde und nunmehr eine Renaissance erlebt – nach einer ersten Blüte vor der deutschen Revolution 1849, einem Höhepunkt vor dem 1. Weltkrieg und einem weiteren Peak 1933 ff. (wie diese aus Google Books generierte Wortzählung sehr schön zeigt) –  scheint da kein Zufall. Zum einen hat der im Zuge der Pegida-Proteste wieder hochgekommene  Begriff wie jede pauschale Diffamierungsbvokabel den Negativ-Status als “Unwort” tatsächlich verdient, zum anderen fällt die Renaissance des Begriffs wieder in eine Zeit, in der wie in den Vorkriegszeiten des vorigen Jahrhundert massiv Feinbilder geschaffen und aufgebaut werden – und die Presse eben noch ein bißchen mehr lügt als sie es ohnehin tut. Aber – und das macht den Unterschied zu den “Lügenpresse”-Vorwürfen von anno dunnemals – auch schneller dabei erwischt und an den Internet-Pranger gestellt werden kann, wenn sie tatsächlich lügt.

Anders als noch im alten Indonesien (oder war’s Nepal ?), wo es Wahrsagern gesetzlich verboten war, die Unwahrheit zu sagen, beinhaltet in modernen Demokratien die “Freiheit der Presse” eben auch die Freiheit zu lügen. Und weil dem so ist, gilt für die Öffentlichkeit  die Freiheit zu zweifeln. Und anders als im Mittealter oder in heutigen “Gottestaaten”, wo jeder Zweifel an der ex cathedra verkündeten Wahrheit eine Sünde ist, gilt er im aufgeklärten Abendland mit Descartes´Diktum vom Zweifel als Anfang der Weisheit ( “Dubium sapientiae initium”), als Grundlage jeder rationalen Erkenntnis. Als Mutter der Vernunft ist der Zweifel sozusagen erste Bürgerpflicht. Wohin es führt, wenn sich die Bevölkerung in blindem Glauben von oben verkündeten Wahrheiten hingibt, haben die mörderischen Verwüstungen der beiden letzten Weltkriege gezeigt. Vor dem Mord stand immer das Wort, die Parolen jener, die dazu aufriefen, sich hinter einer Fahne und einer Worthülse (Ehre/Führer/Volk/Vaterland) zu versammeln und zuzuschlagen. Ohne Wenn und Aber und ohne jeden Zweifel.

Zu derlei glaubensfestem Eifer ruft jetzt auch ein Aufsatz in der FAZ auf, in dem Reinhard Mohr den “Zweifel als Propagandawaffe” entlarvt und jede Art von Mißtrauen gegenüber der Wahrhaftigkeit und Güte des Washingtoner Imperiums als Produkt putinscher Propaganda. Nun zeichneten sich die Aufsätze Mohrs schon in den 80er Jahren dadurch aus, dass sie über mangelnde Gedankentiefe durch verschwurbelten Formulierungskitsch hinwegtäuschten, weshalb ich sie auch nie druckte, wenn er sie beim Feuilleton der taz einreichte. Wie sehr die “schußfeste Einfalt” (Titanic),  das Vakuum zwischen den Mohrschen Ohren,  seitdem noch zugenommen hat, kann  jeder anhand des oben verlinkten Artikels überprüfen. Hier nur eine Perle, die auch ein wohlmeinender Redakteur seinem Mietmaul eigentlich nicht durchgehen lassen sollte weil sie einer unfreiwilligen Selbstkarrikatur gleichkommt – des Autors als Worthülsenfabrikant, der in routinierter Attitüde im geistigen Niemandsland seine Pirouetten dreht.

“Wenn sich der antiwestliche Rundum-Zweifel als routinierte Attitüde erst einmal etabliert hat, beginnt das Denken, das sich selbst nicht ernst nimmt, zur leeren, beliebig verwendbaren Hülse zu werden. Das so entstehende geistige Niemandsland passt hervorragend zu den Erfindungen der russischen Propaganda, die versucht, den Platz einzunehmen, den die intellektuelle Selbstaufgabe im Westen hinterlässt.”

Aber auch mit solchen Pfeifen müssen wir als Verteidiger der Lügenpressefreiheit leben. Wir lieben sie einfach an die Wand.

 

Krieg und Frieden

“Kriege fallen nicht vom Himmel, sie werden gemacht. Von Menschen. Gegen Menschen. Bevor ein Krieg geführt werden kann, muss ein Feindbild kreiert werden. Die Mechanik dabei ist immer dieselbe.”

Die Ken FM -Redaktion hat  eine Collage zusammengestellt,  aus ihren Gesprächen der letzten Monate mit Dr. Daniele Ganser, Prof. Dr. Rainer Rothfuß, Albrecht Müller, Willy Wimmer, Bernhard Trautvetter, Eugen Drewermann, Dirk C. Fleck und yours truly.