Vom Niedergang des Journalismus

PropagandaEinen Essay von Wolf Reiser – “Freiwild – Über Zähmung, Verwahrlosung und Niedergang des Journalismus”, erschienen in “Lettre International” Nr. 107 und nur gedruckt erhältlich – möchte ich, bevor ich über die Feiertage mal ein paar Tage offline gehe, allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs zur Lektüre empfehlen. Er erzählt aus der Perspektive eines freien Journalisten wie es mit unserer Branche in den letzten Jahrzehnten abwärts ging – und die “Unerbittlichkeit des Adlers” der  “auf die unsortierten Trümmer der Ruinenlandschaft herabschaut” ist ebenso erhellend wie deprimierend. Erhellend weil einem Adlerauge die aktuelle Desinformation und “vorauseilende Gleichschaltung” der Leitmedien in Sachen “Majdanwahn und Klitscho-Hype” natürlich nicht verborgen bleiben kann; deprimierend weil alles in dieser Ruinenlandschaft der Medien so kaputt, so verkommen und so aussichtlos ist, wie Wolf Reiser es beschreibt. Als Alters,- und Branchengenosse, der sich seit 25 Jahren als “Freier”  durchschlägt, habe ich diesen Niedergang genau so erlebt, bis hin zu dem entscheidenden Knacks im System:

“Im Nachinein ist es so, daß mit den ungeklärten Vorgängen von 9/11 der Tod des freien Journalismus einsetzte. Wer auch immer seither der offiziellen Version Zweifel entgegensetzte, landete in der Schmuddelecke des Verschwörungswahns. Wer die Nagelprobe nicht bestand konnte die Karriere als fester wie freier Journalist beenden.”

Ich konnte damals meine bescheidene “Karriere” als Autor bei verschiedenen ARD-Radios freiwillig beenden –  nachdem “meine” Redakteure mir gesagt hatten: “Du kannst alles machen außer 9/11” – weil ich mich als erster auf genau dieses welterschütternde Thema stürtzte und im Alleingang eine Artikelserie für Telepolis und ein Buch schrieb, das ein internationaler Bestseller wurde. Damit war zwar der Lebensunterhalt als “Freier” für’s erste gesichert, ebenso sicher war aber auch ein  Platz in der “Schmuddelecke des Verschwörungswahns”.  Also nix mehr mit Edelfeder, “seriöser” Journalist und “renomierter” Autor – die neue Inquisition duldet (wie die alte) keine Abweichler. Wie damals etwa auf das Märchen von der Jungfrauengeburt muß heute auf das Märchen von Osama und den 19 Teppichmessern geschworen werden – wer darauf besteht, dass es sich um ein Märchen handelt, fliegt. Weshalb der Springer-Verlag nach 9/11 sicherheitshalber “Die Unterstützung des transatalntischen Bündnisses und die Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika.” in Vertragswerke aufgenommen hat, damit jeder neu eingestellte Redakteur weiß, um was es bei der “Journalismus” genannten Produktion des Hauses geht. Dass derlei “deformative Betriebsanleitungen” (Wolf Reiser) auch anderweitig existieren ist wahrscheinlich und wenn  sich dann, wie unlängst in einer Umfrage ermittelt, nahezu zwei Drittel der Bevölkerung von den Leitmedien in Sachen Ukraine schlecht oder einseitig informiert fühlen, ist das natürlich kein  Thema in eben jenen Medien. Sie schalten lieber die Kommentarfunktionen ab.

Dass Wolf Reiser keine Lösungen weiß – auch mir fällt außer der Forderung, dass aus Gerüchteküchen wieder Rumorkliniken werden müssen nichts ein – ist kein Drama; es gilt, die Tragödie, deren Trümmer er detailgenau inspiziert und eloquent beschreibt, überhaupt erst einmal wahrzunehmen, anzunehmen, ernstzunehmen. Ich habe deshalb vor zehn Jahren mit diesem Blog begonnen, der zwar überhaupt nichts einbringt, aber mittlerweile im Monat etwa 25.000 Besucher hat, die 100.000 Artikel lesen. Das entspricht ja quasi schon der Gemeinde einer kleinen Lokalzeitung – und wenn dann in der künftigen Digitalen Räterepublik Deutschland so ein kleiner Lokalredakteur aus der Kultursteuer mit sagen wir mal 10 Cent pro Besucher bezahlt wird, müßte man sich um den Journalismus, die Meinungsvielfalt und die politische Willensbildung keine Sorgen machen. Womit wird uns  bei der Empfehlung dieses grandiosen Abgesangs auf eine verwahrloste Branche doch noch mit einer positiven Vision aus der Affäre ziehen. Schließlich ist Weihnachten.  Und schließlich kann – mit Werner Finck  – “unsere Aufgabe nicht in unserer Aufgabe bestehen”, weil wir – mit Wolfgang Neuss – “nie aufhören von unten anzufangen”. All You Need Is Love. Frohes Fest!

Die erfolterten 9/11-Geständnisse

300Am 11. Dezember hatte ich schon darauf hingewiesen, welchem eigentlichen Zweck die geheimdienstlich irrelevanten und ineffektiven Grausamkeiten dienten, die der Folterbericht des US-Senats enthüllt, –  der Produktion der 9/11-Legende durch “Zeugenaussagen”: Foltern für die Propaganda – und dazu eine Passage aus 11.9. – Zehn Jahre danach gepostet, über den “Kronzeugen” Khalid Scheich Mohamed (KSM), der nach 183 “Waterboarding”-Sitzungen genug erzählt hatte, um das Narrativ von Osama und den 19 “Hijackern”  als Alleintätern “wasserdicht” zu machen. Neben KSM, dessen “Aussagen” ein Viertel aller Quellenangaben im offiziellen 9/11 Report lieferten, ist der in Guantanamo ebenfalls dauerhaft gefolterte Abu Zubeida der wichtigste Zeuge in Sachen “Al Qaida” – und auch dieser hat seinen Peinigern irgendwann genau das erzählt, was sie hören wollten – auch wenn er nie Mitglied von “Al Qaida” war.

Paul Schreyer hat heute  auf TP  einen  sehr lesenswerten Artikel über den Spiegel, die Folter und 9/11 veröffentlicht,und dabei ebenfalls auf die oben zitierten Zusammenhänge verwiesen:  “In dieser Woche titelt der Spiegel markig “Die dunkle Seite der Macht – Wie Amerika seine Werte verlor”. Dass aber nicht nur der atlantische Partner, sondern auch das Blatt selbst sich in dieser Hinsicht kritische Fragen gefallen lassen muss, ist im aktuellen Heft kein Thema. Als den beiden Spiegel-Redakteuren Georg Mascolo und Holger Stark im Herbst vor elf Jahren die Resultate von CIA-Folterverhören der angeblichen 9/11-Planer zugespielt wurden, konstruierte das Nachrichtenmagazin daraus eine Aufsehen erregende Titelgeschichte. Auf dem Cover der Ausgabe vom 27. Oktober 2003 prangte in großen Lettern: “Das Geständnis – Was die Drahtzieher der Terroranschläge vom 11. September nach ihrer Gefangennahme den US-Ermittlern verrieten”.”

Das erinnerte mich daran, dass ich zu dieser Coverstory doch schon bei Erscheinen etwas geschrieben hatte , und siehe da, das Netz vergisst nichts – hier ist der Kommentar (noch im Uralt-Webdesign) : Propaganda aus dem Off -Mit seiner Titelgeschichte “Das Geständnis” markiert “Der Spiegel” (27.10.2003) einen neuen journalistoiden Tiefpunkt . Erst knapp ein Jahr später, Ende Juli 2004, konnten die Protokolle, die den Spiegel-Schurnalisten offensichtlich von der CIA gesteckt worden waren, von deutschen Behörden eingesehen werden, die befanden , dass sie “praktisch nutzlos” waren. Das waren sie für eine kriminalistische Ermittlung der Verbrechen in der Tat; nicht aber für ihren wahren Zweck, nämlich eine Legende zu unterfüttern: das Propaganadamärchen von  Harry Plotter und den Teppichmessern des Schreckens.

Ich habe den Folter-Report noch nicht ausführlich studiert und nachrecherchiert, um abschließend darüber zu urteilen (was bei 560 veröffentlichten Seiten von über 6000 ohnehin schwer wird) – Thierry Meissan ist damit schon durch befindet “Der Kongress Bericht über Folter bestätigt, dass al-Kaida am 11. September nicht beteiligt war”.  Dass deswegen nun eine neue 9/11-Ermittlung fällig wird, wäre aber wohl zuviel Vertrauen in den Restbestand des  Rechtsstaats USA, der seine Folterknechte ja auch nicht zu bestrafen gedenkt. Dass indessen dem ehemaligen Nachrichtenmagazin “Spiegel” nicht zu trauen ist, war spätestens am 27. Oktober 2003 klar, als es das erfolterte “Geständnis” als Realgeschichte verkaufte – und es bestätigt dieses Mißtrauen, wenn es heute über die “dunkle Seite”und die verlorenen Werte Amerikas schreiben kann ohne die eigene Mittäterschaft in diesem kriminellen Spiel einzugestehen.

Der CIA-Folterreport

17.12.14 20:36-BildschirmkopieLetzten Mittwoch mailte ein pensionierter Freund aus der Buchbranche, dass er als Ex-Verleger manchmal Phantomschmerzen habe, wenn spannende Buchprojekte auftauchten und niemand würde sie realisieren – wie jetzt zum Beispiel der Folterreport des US-Senats. Ob ich mich nicht mal dahinter klemmen und für eine schnelle Übersetzung sorgen könnte. Noch am selben Abend gab ich den Vorschlag an den Westend-Verlag weiter und zwei Stunden später meldete sich Westend-Chef Markus Karsten: “Mathias, wir machen das!” Am Donnerstag wurde ein Team von Übersetzern ans Werk gesetzt, am Freitag mit Wolfgang Nešković – ehemaliger Bundesrichter und als MdB von 2005 bis 2012 Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums der Geheimdienste – ein idealer Herausgeber gefunden, der dem Bericht eine umfassende Erläuterung voranstellen und die Bedeutung für Deutschland und Europa aufzeigen wird. Am Montag wurde das Cover entworfen, am Dienstag die Texte für die Ankündigung,  die gestern auf der Website des Verlags veröffentlicht wurde – und am 19. Januar wird der ca. 800 Seiten starke Report in den Buchhandel kommen.

Niemand will Kriege. Warum werden sie dennoch dauernd geführt ?

stopnatoFür Abrüstung, Völkerverständigung und Frieden zu demonstrieren scheint derzeit zwar nötiger denn je,  aber nur “Verschwörungstheoretiker, Antisemiten und Neurechte verschiedener Couleur” tun das und wer sich nicht als “Wirrkopf” beschimpfen lassen will bleibt besser zu Hause . Selbst wenn der Redner auf der Abschlußkundgebung in bester pazifistischer Tradition spricht – und man ihm nur das vorwerfen kann, was damals Heiner Geißler den noch friedensbewegten “Grünen”  unüberbietbar unverschämt ins Stammbuch schrieb, dass nämlich “die Pazifisten Auschwitz erst möglich gemacht” hätten. So weit gehen die oben verlinkten Zuschreibungen aus der links-liberalen Presse zwar noch nicht, aber weit ist es nicht mehr, dass Pazifisten mit Holocaustleugnern in einen Topf gemschmissen werden. Von Leuten, die als Mitglieder unserer “Wertegemeinschaft” von sich behaupten, dass auch sie natürlich keinen Krieg wollen, aber…
Zu der Frage, warum niemand Kriege will und sie dennoch dauernd geführt werden, habe ich vor zwei Jahren einmal das Folgende notiert:

“Natürlich, das einfache Volk will keinen Krieg; weder in Rußland, noch in England, noch in Amerika, und ebenso wenig in Deutschland. Das ist klar….. Aber schließlich sind es die Führer eines Landes, die die Politik bestimmen, und es ist immer leicht, das Volk zum Mitmachen zu bringen, ob es sich nun um eine Demokratie, eine faschistische Diktatur, um ein Parlament oder eine kommunistische Diktatur handelt.  Das Volk kann mit oder ohne Stimmrecht immer dazu gebracht werden, den Befehlen der Führer zu folgen. Das ist ganz einfach. Man braucht nichts zu tun, als dem Volk zu sagen, es würde angegriffen, und den Pazifisten ihren Mangel an Patriotismus vorzuwerfen und zu behaupten, sie brächten das Land in Gefahr. Diese Methode funktioniert in jedem Land.”
Dass einer der führenden Nazis und größten Kriegstreiber des 20. Jahrhunderts, der designierte Nachfolger Hitlers und Oberkommandierende der Luftwaffe Hermann Göhring , bei seiner Vernehmung im Nürnberger Prozess 1946 diese Aussage machte, nimmt ihr nichts von ihrer zeitlosen  Richtigkeit.  Die Nazis hatten mit dem Mythos vom “Volk ohne Raum” und der Angst vor einer aggressiven “jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung”  propagandistisch ein  Klima geschaffen, das die Mehrheit der Deutschen willig in den Krieg ziehen lies – und ohne die Schaffung eines solchen Bedrohungszenarios kann bis heute kein Krieg vom Zaum gebrochen werden. Auch der sogenannte Kalte Krieg von 1945 bis 1989, der in mörderischen  Stellvertreterkriegen in den entlegendsten Ecken der Welt ausgetragen wurde,  konnte nur geführt werden,  weil auf beiden Seiten eine Kirche der Angst permanent die Gebetsmühlen der Propaganda drehte und das Volk in Furcht vor dem “Feind” versetzte. Dass die “Massenvernichtungswaffen” des Irak nicht nur vorhanden sind, sondern Europa “in 45 Minuten erreichen können”, wie der britische Premier Tony Blair beschwor, und  dass die Bundesrepublik  nach Ansicht des deutschen Verteidigungsministers gezwungen ist, ihre “Freiheit am Hindukusch” zu verteidigen, sind zwei aktuelle Beispiele  der Panikmache, mit der Regierende ihre ahnuhngslose Bevölkerung in Kriege treiben.

Die Methode funktioniert in der Tat, zu jeder Zeit und in jedem Land. Doch wer sorgt eigentlich dafür, dass sie immer wieder angewendet wird ?  Die unverblümte Antwort, die General Smedley Butler, bei seinem Tod 1940 der höchst dekorierte Marine der us-amerikanischen Armee,  auf diese Frage gegeben hat ist ebenso eindeutig  wie zeitlos richtig:

“Es gibt keinen Gaunertrick, den die militärische Gang nicht auf Lager hat. Sie hat ihre Spitzel, die mit dem Finger auf die Feinde zeigen, sie hat ihre ‚Muskelmänner‘ zur Vernichtung der Feinde, sie hat ein Gehirn, das die Kriegsvorbereitungen trifft, und einen Big Boss, den supernationalistischen Kapitalismus. Es mag merkwürdig anmuten, dass ausgerechnet ich als Angehöriger des Militärs einen solchen Vergleich wage. Aber die Wahrhaftigkeit zwingt mich dazu. Ich habe dreiunddreißig Jahre und vier Monate als Mitglied der agilsten Militärmacht dieses Landes, der Marineinfanterie, im aktiven Dienst verbracht. Ich habe in allen Rängen gedient, vom Leutnant bis zum Generalmajor. Und einen Großteil dieser Zeit war ich ein erstklassiger Muskelmann für das Big Business, für die Wall Street und die Banker. Kurzum, ich war ein Gangster des Kapitalismus. Ich ahnte damals, dass ich nur ein Teil eines großen Gangsterplans war. Jetzt weiß ich es.”

(“War is a Racket, 1935)

Butler Smedleys Kollege im Generalsstand, US-Präsident Eisenhower, drückte sich in seiner  Abschiedsrede 1961  zwar etwas staatsmännischer aus  und sprach nicht von Gangstern, sondern vom “militärisch- industriellen Komplex” , doch  seine  explizite Warnung geht in dieselbe Richtung :

“Wir in den Regierungsgremien müssen uns vor unbefugtem Einfluss durch den militärisch-industriellen Komplex schützen….Wir dürfen es nie zulassen, dass die Macht dieser Kombination unsere Freiheiten oder unsere demokratischen Prozesse gefährdet….Nur wachsame und informierte Bürger können die angemessene Mischung der gigantischen industriellen und militärischen Verteidigungsmaschinerie mit unseren friedlichen Methoden und Zielen erzwingen, so dass Sicherheit und Freiheit zusammen wachsen und gedeihen können.“

Fünf Jahrzehnte später kann man nur feststellen, dass die Wachsamkeit und Informiertheit der Bürger nicht ausgereicht hat, eine friedliche Außenpolitik der USA zu erzwingen – etwa sechs Millionen Menschen, so schätzt der Politologe John Tirman vom Massachusetts Institute of Technology (MIT),  sind seit 1945 durch Kriege der US-Armee um’s Leben gekommen. Für die laufenden Kriege im Irak und Afghanistan liegt die Zahl der getöteten Zivilisten bei mindestens 650.000 bzw. 100.000 in Afghanistan.

Wenn das niemand will, warum lassen sich dann doch immer Koalitionen der Willigen schmieden, die dieses massenhafte Morden veranstalten ? Es ist der “unbefugte Einfluss” der “gigantischen industriellen und militärischen Verteidigungsmaschinerie” auf die Politik und auf die großen Medien. Diese übernehmen als Erfüllungsgehilfen die Aufgabe, “dem Volk zu sagen, es würde angegriffen”, indem sie die von Think Tanks und Strategen ausgebrüteten Kriegslügen unter das Volk bringen. Dann werden Aluminiumrohre auf der Titelseite des  “New York Times” als Langstreckenwaffen dargestellt, um den Angirff auf Irak zu legitimieren;  oder, wie nach den 9/11-Anschlägen, gefälschte Videos von jubelnden Palästinensern weltweit auf allen TV-Kanälen ausgestrahlt, um die Niedertracht des “Feinds”  zu demonstrieren. Die Liste ließe sich um viele Beispiele erweitern und zeigt, dass sich nichts geändert hat, seit die Nazis einen Überfall auf den Sender Gleiwitz inszenierten und dann behaupteten: “Ab 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen.”

Dass sich Menschenmassen wie eine verängstigte Schafherde leicht in eine Richtung treiben lassen, wenn sie mit einem Bedrohungszenario konfrontiert werden – diese natürliche Reaktion ist der Grund für den Erfolg bellizistischer Panikmache. Sie ist ebenso “natürlich” wie die Gier, die durch die gigantischen Budgets der “Verteidigungsmaschinerie” erzeugt wird. Diese psycholgischen Komponenten – die Empfänglichkeit für Angstszenarien und die Unersättlichkeit menschlicher Gier – lassen sich nicht qua Vernunft einfach abschalten. Eine Transparenz der Einflussnahme der “Verteidigungs”,- und “Sicherheits”-Lobby auf Politik und Medien kann nur ein erster Schritt dahin sein. Solange der nicht vollzogen ist bleibt nur  die Wachsamkeit und Informiertheit der Bürger, die Eisenhower forderte. Sie besteht vor allem darin, sich von Feindbildern und Angstszenarien nicht weiter dumm machen zu lassen.

Das Scharfschützenmassaker

“Der kanadisch-ukrainische Politikwissenschaftler Ivan Katchanovski von der Universität Ottawa hat das Kiewer Blutbad des 20. Februar in Eigenregie untersucht. Akribisch wertete er monatelang Zeugenaussagen, Filmmaterial und Funkübertragungen aus, um den Massenmord im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt zu rekonstruieren. Katchanovski belegt, dass auch Oppositionskräfte Scharfschützen einsetzten. Dabei nahmen die Maidan-Schützen nicht nur Polizisten, sondern auch die eigenen Leute und Journalisten unter Feuer. Die Spur führt zum Rechten Sektor.” – In einem unbedingt lesenswerten Artikel har Stefan Korinth auf Telepolis die Arbeit von Prof. Katchanovski vorgestellt,  mit der erstmals Licht in das Dunkel des  bis heute unaufgeklärten Massenmord auf dem Maidan kommt, der den entscheidenden “Kick” für den Machtwechsel in Kiew besorgte:

“Für Katchanovski legen die Beweise nahe, dass “rechtsradikale Maidanelemente” das Massaker organisiert haben: Gefeuert wurde während des Tages konstant aus dem alten und neuen Hauptquartier des Rechten Sektors (Gewerkschaftshaus und Hauptpost) sowie aus dem Quartier einer Spezialkampftruppe mit Kriegserfahrung (Musik-Konservatorium), die kurz zuvor unter Beteiligung des Rechten Sektors aufgestellt wurde. Besonders auffällig sei, dass der Rechte Sektor beim Scharfschützenmassaker nicht zu sehen war, betont Katchanovski. Die Truppe die sonst bei jeder Auseinandersetzung mit der Polizei an vorderster Front stand, war nun stundenlang untergetaucht. Dies sein ein starker indirekter Beweis – frei nach Sherlock Holmes “der Hund, der nicht bellte”, schreibt der Politikwissenschaftler.”

Dies untersützt die These, die wird auch schon in unserem Buch aufgestellt hatten: dass schon die Logik dagegen spricht,  die Auftraggeber dieser Tat  im Lager des noch amtierenden Präsidenten Janukowitsch zu suchen – der einen Tag zuvor nach langen Verhandlungen mit Steinmeier und weiteren EU-Ministern den Vertrag über seinen Rücktritt und Neuwahlen gemacht hatte – sondern eher bei denen, die kein Interesse an einem solchen friedlichen Übergang hatten. Und auch nicht an dem Verhandlungsweg, den Steinmeier und die Europäer eingeschlagen hatten oder, wie sich die US-Chediplomatin Nuhland ausgesrückt hatte: “Fuck EU!” Das Massaker war das blutige Ausrufezeichen hinter dieser Aussage.

Auch wenn die Indizien, die Katchanovski zusammengetragen hat, klar in die Richtung des “Rechten Sektors” deuten – und damit auch in Richtung der CIA, die rechte Maidansöldner u.a. in Polen trainiert hatte – sind die konkreten Auftraggeber und die Schützen bis heute unbekannt. Und werden es woll auch bleiben, den eine ordentliche staatsanwaltliche Ermittlung ist von dem amtierenden Regime in der Ukraine nicht zu erwarten – der Generalstaatsanwalt Oleg Machnizki stammt aus der rechtsradikalen “Swoboda”-Partei und der neue Polizeichef von Kiew war Vizekommandant des faschistischen Azov-Batallions. Solange aber dieses Massaker ungeklärt bleibt, solange bleiben die Vorgänge in der Ukraine unverständlich, denn dies war der Auslöser all dessen was folgte – des gewaltsamen und verfassungswidrigen Regierungssturzes in Kiew, der gewaltlosen (aber ebenfalls verfassungswidrigen) Sezession der Krim und des Bürgerkriegs in der Ostukraine.

Lüge in Kriegszeiten

 Ein Re-Post meines Artikels vom 29. Juli:

Am Beispiel des Ersten Weltkriegs formulierte Arthur Ponsonby 1928 die Strukturgesetze der Kriegspropaganda – sie gelten, wie die aktuelle Berichterstattung über die Ukraine zeigt, noch immerVon Lord Arthur Ponsonby (1871-1946), einem britischen Politiker und Friedensaktivisten, stammt nicht nur das berühmte Diktum, dass das erste Opfer des Kriegs die Wahrheit ist – “When war is declared, truth is the first casualty”. In seinem 1928 veröffentlichten Buch “Falsehood in Wartime” (“Lüge in Kriegszeiten”) versuchte Ponsonby auch die Strukturelemente dieser Lügen und Fälschungen zu beschreiben, wie er sie am Beispiel des Ersten Weltkriegs beobachtet hatte:

Wir wollen den Krieg nicht.

Das gegnerische Lager trägt die Verantwortung.

Der Führer des Gegners ist ein Teufel.

Wir kämpfen für eine gute Sache.

Der Gegner kämpft mit unerlaubten Waffen.

Der Gegner begeht mit Absicht Grausamkeiten, wir nur versehentlich.

Unsere Verluste sind gering, die des Gegners enorm.

Künstler und Intellektuelle unterstützen unsere Sache.

Unsere Mission ist heilig.

Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, ist ein Verräter.

In ihrem Buch über “Die Prinzipien der Kriegspropaganda” (Präzisionsschläge sorgen für Kollateralschaden) hat die Historikerin Anne Morelli 2004 diese von Ponsonby definierten Prinzipien auf ihre Gültigkeit abgeklopft und vom Zweiten Weltkrieg bis zu den Kriegen in Jugoslawien und Irak zahlreiche Belege dafür gefunden:

Wir schenken heute Lügenmärchen genauso Glauben wie die Generationen vor uns. Das Märchen von kuwaitischen Babys, die von irakischen Soldaten aus ihren Brutkästen gerissen wurden, steht dem von belgischen Säuglingen, denen man angeblich die Hände abgehackt hat (dies wurden den deutschen Soldaten im Ersten Weltkrieg zugeschrieben), in nichts nach.

Ponsonbys Prinzipien scheinen tatsächlich so etwas wie die zehn Gebote der medialen Kriegsführung darzustellen – und sind auch in dem aktuellen Konflikt um die Ukraine Punkt für Punkt zu beobachten. “Wir”, der Westen, USA/EU/NATO, wollen natürlich keinen Krieg, fordern aber von den Bürgern größere “Rüstungsanstrengungen” (Nato-Sprecher Rasmussen) und mehr “militärische Verantwortung” (Gauck) auf sich zu nehmen. Das gegnerische Lager (“Russen” und “Pro-Russen”) zwingt uns dazu, denn ihrer Führer sind echte Teufel (“Putin”) – die Titelseiten von “Newsweek” (Jetzt reicht es!) und “Spiegel” (SPIEGEL schließt Russland-Forum nach drei Stunden) in dieser Woche lassen keinen anderen Schluss zu. Wir dagegen kämpfen natürlich immer für die gute Sache: für “Mädchenschulen” in Afghanistan, für “Demokratie” im Irak, gegen einen irren “Diktator” in Libyen, den “Schlächter” Assad in Syrien und an der Seite der “Zivilgesellschaft” in der Ukraine. Für “Freiheit” und “Menschenrechte” betreiben wir “humanitäre Interventionen”, die durch ihre “Präzisionsschläge” die unvermeidlichen “Kollateralschäden” so gering wie möglich halten.

Dass die Kriege in den genannten Regionen statt Recht und demokratischer Ordnung eine Schneise der Verwüstung geschaffen haben, ein entstaatlichtes Chaos, in dem Warlords, kriminelle Banden und radikale Milizen Regie führen, liegt nicht an uns, sondern am Gegner. Der kämpft mit unerlaubten Waffen (“Terrorismus”, “Massenvernichtungswaffen”) und begeht mit voller Absicht Grausamkeiten, was wir natürlich nie tun würden. Oder nur aus Versehen und den für uns in Syrien agierenden “Freiheitskämpfern” verbotenes Giftgas liefern, um seinen Einsatz dann Assad als Überschreiten einer “roten Linie” in die Schuhe zu schieben – wobei die Aufdeckung dieser “False Flag”-Operation (Seymour M. Hersh: “Whose sarin?, The Red Line and the Rat Line) dann aber keine Schlagzeilen mehr wert ist, weil: siehe Punkt 1 – 4.

Allenfalls eine Kurzmeldung ist dann auch die Aussage des Leiters des holländischen Forensik-Teams wert, der den Absturz des MH-17-Flugs in der Ukraine untersuchte und den mit der Bergung befassten “Separatisten” eine hervorragende Arbeit bescheinigte. Weltweit Schlagzeilen macht das Bild eines Helfers, der – “menschenverachtend”, “brutal”, “grausam” – an der Absturzstelle einen Plüschhasen in die Kamera hält. Echte Barbaren, diese “Pro-Russen”, die zwar Ukrainer sind, aber in Form von “Pro-Russen” als untermenschlicher Feind identifiziert werden.

Dass der Gegner Russland enorme Verluste erleide und international “isoliert” sei, wird nahezu täglich auf den Wirtschaftsseiten vermeldet, wobei ausgeblendet bleibt, dass die Russen gerade für 400 Milliarden US-Dollar Gas nach China verkauft haben, mit den BRICS-Staaten eine Alternative zum IWF gründen und den Ausstieg aus dem Petro-Dollar beschlossen haben (BRICS-Staaten machen Weltbank und Währungsfonds Konkurrenz). Wer dann “isoliert” ist, wenn sich mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung der Finanzhegemonie der USA entzieht, wird sich erst noch weisen.

Was die Unterstützung durch Künstler und Intellektuelle betrifft, so beschränkt sich diese derzeit weitgehend auf Medienschaffende und Journalisten, die in Leitartikeln und Talkshows Stimmung machen. Von ihrer Verpflichtung zu objektiver Information haben sie sich weitgehend verabschiedet und präsentieren die Wirklichkeit als Schwarzweißfilm mit eindeutiger Rollenverteilung in Gute (USA, EU und Nato) und Böse (Putin und Russland) präsentieren. Zu diesem Zweck mutieren dann nicht nur Gerüchte zu Tatsachen, Vermutungen zu Ereignissen und Meinungen zur Wahrheit, sondern es werden auch unpassende Fakten verschwiegen und Interessen und Hintergründe der Akteure des Konflikts unterschlagen.

Das dröhnende Schweigen, mit dem USA/NATO/EU auf die Veröffentlichung von Radar- und Satellitendaten zum MH-17-Absturz durch den russischen Generalstab reagierte, spricht Bände – nicht nur in Bezug auf die Qualität der zuvor geäußerten wüsten Anschuldigung in Richtung Russland, sondern auch auf die Verkommenheit der westlichen Medien, die eine Aufklärung der Unglücksursache und eine Offenlegung der ukrainischen und amerikanischen Daten nicht einmal fordern. Geschweige denn, ihre Regierungen für diese Nicht-Aufklärung in irgendeiner Weise kritisieren. Stattdessen wird mit den oben zitierten Titelbildern die faktenfreie Propaganda um eine weitere Stufe eskaliert.

“Wie wird die Welt regiert und in den Krieg geführt? Diplomaten belügen Journalisten und glauben es, wenn sie’s lesen”, notierte der Wiener Schriftsteller Karl Kraus, nachdem auf eine Falschmeldung der deutschen und österreichischen Presse über einen französischen Bombenabwurf auf Nürnberg Ende Juli 1914 unmittelbar die Kriegserklärung an Frankreich erfolgt war. Dieser fingierte Bericht war für ihn die Urlüge und das Paradebeispiel für die Manipulation der Massen in Kriegszeiten, die Kraus dazu führte, “den Journalismus und die intellektuelle Korruption, die von ihm ausgeht, mit ganzer Seelenkraft zu verabscheuen”.

Wer derzeit die Medien unter Berücksichtigung der Strukturgesetze von Arthur Ponsonby beobachtet, kann sich diesem Abscheu nur anschließen.

Foltern für die Propaganda

wtcDie Veröffentlichung des CIA-Folterreports durch den Geheimdienstausschuss des US-Senats hat Entsetzen hervorgerufen – bei Dick Cheney, Donald Rumsfeld und der Bush-Junta, auf deren Anweisungen diese Methoden eingesetzt wurden, wegen ihrer Veröffentlichung, und beim Rest der zivilisierten Welt, weil sie selbst in der redigierten Fassung an Perversion kaum zu überbieten sind. Was in den nicht veröffentlichten 5.000 Seiten noch steht braucht kein Mensch – und kein Richter – zu wissen, um zu entscheiden, dass die Verantwortlichen für diese Gräueltaten zur Rechenschaft gezogen müssen. Wenn ein Restbestand an Rechtsstaat künftig noch erhalten bleiben und das Gerede von der “Wertegemeinschaft” des Westens nicht vollends zur zynischen Leerformel verkommen soll, müssen die Täter und ihre Vorgesetzten ebenso vor Gericht  wie ihre Helfer in den zahlreichen Ländern, in denen die CIA ihre Folterkeller eingerichtet hat.

Die Erkenntnis, dass Folter kein verwertbares Wissen erbringt, weil das Opfer um die Tortur zu beenden irgendwann genau das erzählt was seine Peiniger hören wollen, ist wahrlich nicht neu und um sie zu belegen hätte es diesen Report nicht gebraucht. Wenn aber das Foltern militärisch und geheimdienstlich nichts bringt – warum haben Cheney & Co. es dann angeordnet ? Weil sie  genau das hören wollten, was der Kronzeuge der 9/11-Legende, Khalid Scheich Mohamed (KSM)  beim  “Waterboarding” erzählte – bis nach der 183. Sitzung genug beisammen war, um das Narrativ von Osama und den 19 “Hijackern” mit diesen 1a Quellenangaben “wasserdicht” zu machen.
Hier zur Auffrischung  der Erinnerung ein Auszug des Kapitels über den Kronzeugen KSM aus  “11.9. – Zehn Jahre danach” – spätestens nach den jetzt erschienenen Folterberichten sollte die Farce, die der offizielle 9/11-Report darstellt, offensichtlich werden:

 

“Da KSM nach Ansicht von Verteidigungsminister Rumsfeld kein »Kriegsgefangener« war, sondern ein »feindlicher Kämpfer«, galten für ihn nicht die Genfer Konventionen, daher war er von Anfang an zur kreativen Befragung, vulgo: Folter durch die CIA freigegeben. Ob dies auch seine Frau und seine Söhne betraf, ist nicht bekannt.

Unter dem Eindruck von unter anderem 183-Waterboarding- Sessions legte der Scheich ein vollständiges Geständnis ab, das passenderweise die zu diesem Zeitpunkt längst massiv kritisierte offizielle Darstellung von 9/11 vollständig bestätigte.

Seit 2002 hat kein außenstehender Interessent KSM mehr persönlich zu Gesicht bekommen. Und das betrifft nicht nur die möglicherweise neugierige Öffentlichkeit oder irgendwelche Medienvertreter, das betraf auch die Mitglieder der offiziellen Untersuchungskommission. Obwohl der im April 2004 vorgelegte Commission Report massiv auf den Aussagen des Kronzeugen KSM beruht (mehr als ein Viertel der Fußnoten des Report weisen ihn als alleinige Quelle aus),wurde der Zeuge nicht gehört.

Die Kommissionsvorsitzenden Thomas Kean und Lee Hamilton räumten ein, man habe nicht nur den Inhaftierten nicht befragen dürfen, sondern auch nicht jene, die den Verhörten verhörten.Selbst die Abgabe schriftlicher Fragenkataloge beantwortete die CIA mit Zusammenfassungen der angeblichen Antworten, nie mit wortwörtlichen Aussagen des Inhaftierten. Alle Bitten der Kommissionsvorsitzenden, den Gefangenen wenn schon nicht befra- gen, so doch wenigstens sehen zu dürfen, wiesen CIA-Chef George Tenet und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld unisono kategorisch zurück, obwohl Kean und Hamilton sich sogar bereit erklärten, einen ausgesucht zuverlässigen Kommissionsmitarbeiter von der CIA mit verbundenen Augen zum geheimen Aufenthaltsort des Inhaftierten fliegen zu lassen.Die beiden Vorsitzenden verzichteten darauf, diesen Sachverhalt öffentlich zu machen,und erwähnen in der Konsens-Abschlussfassung mit keinem Wort, dass praktisch alle Aussagen, auf denen ihr Bericht fußt, zweifelhaft sind und nicht im Mindesten gerichtsfest. Das hundertfach gefolterte Phantom wurde stattdessen völlig schmerzfrei permanent beim (von seinen Folterern kolportierten) Wort genommen.

Woher denn Al-Qaida die zirka 500 000 Dollar genommen hatte, die zur Ausführung des Anschlags erforderlich waren – diese Frage konnte KSM allerdings auch unter Folter nicht beantworten, wes- halb sie im Commission Report, wie ebenfalls bereits erwähnt, als »von geringer Bedeutung« abgetan wurde (Kap. 5). Dass KSM schon vor seiner Verhaftung die richtigen Namen der Entführer nicht kannte, sondern sich nur an Codenamen erinnerte, fällt da fast nicht mehr ins Gewicht. Er hatte ja ansonsten alles gestanden. Nicht nur »9/11 von A bis Z« und den Mord an Daniel Pearl, auch eine Verbindung zum verhinderten »Schuhbomber« Richard Reid sowie eine Beteiligung an so ziemlich allen geplanten und durchgeführten Anschlägen des letzten Jahrzehnts, unter anderem den »Bojinka-Plot«, Anschläge auf den Papst, Bill Clinton sowie die Plaza-Bank im Bundesstaat Washington. Da letztere erst drei Jahre nach KSMs Verhaftung gegründet worden war, unterstellte man ihm in diesem Fall – aber auch nur in diesem – »Aufschneiderei«.

Im November 2009 kündigte US-Präsident Obama an, KSM und anderen Tätern werde nun endlich ein öffentlicher Prozess in New York gemacht. Es gab Widerstände, sogar vor den Kulissen, zumal die Anwälte des Chefplaners verlauten ließen, ihr Mandant werde, falls es je zu einer Anhörung komme, auf »nicht schuldig« plädieren. Ex-Vizepräsident Dick Cheney stellte sein energisches medi- ales Zetern gegen den neuen Präsidenten allerdings nach der An- kündigung ein und zog sich nach einem leichten Herzanfall Anfang 2010 aus der öffentlichen Debatte einstweilen zurück. Obama ließ anschließend seine öffentliche Anklage-Idee ebenso pietätvoll wie stillschweigend fallen. Im November 2010 hieß es aus Regierungs- kreisen, KSM werde »auf absehbare Zeit« in militärischem Gewahrsam bleiben – ohne Prozess –, aber als Präsident Obama am 4. April 2011 seine erneute Kandidatur für das oberste Amt ankündigte, ließ er gleichzeitig verlauten, den Angeklagten werde nun doch ein ordentlicher Prozess gemacht. Allerdings entgegen dem ursprünglichen Plan nicht mitten in New York, sondern ein bisschen weiter südlich. Vor einem Militärgericht. In Guantanamo Bay.”

Aus: Mathias Bröckers, Christian C. Walther: 11.9 -Zehn Jahre danach. Der Einsturz eines Lügengebäudes, Westend 2011,

Die Hütchenspieler

weapons-of-mass-destruction-700x4374John Pilger   hat auf dem Logan Symposium, das am vergangenen Wochenende vom “Centre for Investigative Journalism”  in London organisiert wurde –  ‘Building an Alliance Against Secrecy, Surveillance & Censorship’ über den War by Media und den Triumph der Propaganda gesprochen (hier das Video, hier eine deutsche Übersetzung).Das australische Urgestein des investigativen Journalismus berichtet da unter anderem aus Gesprächen, die er mit Kollegen nach der Invasion des Irak führte:

“2003 nahm ich in Washington ein Interview mit Charles Lewis auf, dem herausragenden amerikanischen investigativen Journalisten. Wir diskutierten die Invasion in den Iraq, die einige Monate zuvor begonnen hatte. Ich fragte ihn: „Was wäre geschehen, wenn die freiesten Medien der Welt ernsthaft George [W.] Bush und Donald Rumsfeld herausgefordert und ihre Behauptungen überprüft hätten, anstatt das weiter zu reichen, was sich als grobe Propaganda erweisen sollte?“ Er antwortete, wenn wir Journalisten unseren Job richtig gemacht hätten, hätte es „eine sehr sehr gute Chance gegeben hätte, dass wir nicht in den Iraq-Krieg gezogen wären.“

Das ist eine schockierende Feststellung, und zudem eine, die von führenden / berühmten Journalisten bestätigt wurde, denen ich ebenfalls dieselbe Frage stellte. Dan Rather, früher bei der CBS, gab mir dieselbe Antwort. David Rose vom Observer und leitende Journalisten und Produzenten in der BBC, die wünschen, anonym zu bleiben, gaben mir dieselbe Antwort.

Mit anderen Worten: Hätten Journalisten ihren Job gemacht, hätten sie die Propaganda-Behauptungen untersucht und in Frage gestellt, anstatt sie zu verstärken, dann könnten Hunderttausende Männer, Frauen und Kindern heute noch leben….”

…und er zitiert den Kollegen Robert Parry, der einst für dieNachrichtengentur AP die “Iran-Contra-Affäre” aufdeckte und  zu dem aktuellen Medienversagen schrieb:

„Wenn Sie sich wundern wie die Welt in den Dritten Weltkrieg stolpern konnte – fast so wie in den Ersten vor einem Jahrhundert –, müssen sie sich nur den Wahnsinn anschauen, der praktisch die gesamte politische und Medien-Struktur der USA hinsichtlich der Ukraine erfasst hat, wo eine falsche Erzählung von Weißen Hüten gegen Schwarze Hüte (i.S.v. „Gute“ gegen „Böse“) sich schon früh etabliert hat – abgeschottet gegen Fakten oder Vernunft.“

Mit dem Buch “Wir sind die Guten” haben wir versucht dieses Spiel als das zu entlarven , was es ist: ein betrügerisches Hütchenspiel bei dem das Publikum über den Tisch gezogen wird. Dass 60 renommierte Persönlichkeiten aus Politik und Kultur eine drängende Resolution für Entspannungspolitik veröffentlichen, ist da dann auch  kein Thema für ARD und ZDF, schließlich muß die “Tagesschau” ja die wichtige Nachricht absetzen, dass wegen des plötzlichen Wintereinbruchs irgendwo in den USA der Strom ausgefallen ist. Man will ja schließlich wissen, was im Ausland so los ist. Unwichtige Nachrichten, wie die vom US-Kongress bei nur 10 Gegenstimmen beschlossene Resolution 758, mit der in  einer vor Propaganda nur so triefenden  Diktion Russland der Krieg erklärt wird – Obama darf ab sofort ohne Rückfragen bombardieren – müssen da natürlich entfallen.

Nicht in unserem Namen!

Auch wenn “Wir sind die Guten” von den Leitmedien bis dato weitgehend ignoriert wurde – die kurze Erwähnung in der “Süddeutschen” durch Julian Nida-Rümelin war die erste Ausnahme –  hat es mittlerweile die 5. Auflage erreicht, ist seit 13 Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste(Paperbacks) und eines der meistgelesenen politischen Sachbücher dieses Herbsts. Ähnliches habe ich zuletzt im Frühjahr 2002 erlebt, als von  “Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9.” auch schon ein halbes Dutzend Auflagen erschienen waren, bis das Buch als “Bestseller des Unbehagens” (Spiegel) breitere Erwähnung fand. Jetzt scheinen die “Ansichten eines Putinverstehers” offenbar ebenfalls ein weit verbreitetes Unbehagen zu artikulieren – an der uniforme Gleichförmigkeit und dem verzerrenden Schwarz/Weiß der Berichterstattung des Konflikts um die Ukraine. Und an einer auf Konfrontation ausgerichteten Politik.

Das scheinen jetzt auch Roman Herzog, Gerhard Schröder, Antje Vollmer und zahlreiche andere bekannte Persönlichkeiten  aus Politik, Kultur und Wirtschaft zu sehen, die unter dem Titel “Wieder Krieg in Europa?  – Nicht in unserem Namen!” zu einer neuen Entspannungspolitik und einem Dialog mit Russland aufrufen. Nicht nur die Regierung, sondern auch die Medien. In ihrem Appell heißt es:

“Wir appellieren an die Medien, ihrer Pflicht zur vorurteilsfreien Berichterstattung überzeugender nachzukommen als bisher. Leitartikler und Kommentatoren dämonisieren ganze Völker, ohne deren Geschichte ausreichend zu würdigen. Jeder außenpolitisch versierte Journalist wird die Furcht der Russen verstehen, seit NATO-Mitglieder 2008 Georgien und die Ukraine einluden, Mitglieder im Bündnis zu werden. Es geht nicht um Putin. Staatenlenker kommen und gehen. Es geht um Europa. Es geht darum, den Menschen wieder die Angst vor Krieg zu nehmen. Dazu kann eine verantwortungsvolle, auf soliden Recherchen basierende Berichterstattung eine Menge beitragen.”

Einige Felder, auf denen eine solche Berichterstattung und Recherchen dringend erforderlich sind – und die zwei freie Autoren allein gar nicht leisten können, die Leitmedien, allen voran die zwangsfinanzierten öffentlich-rechtlichen aber sehr wohl – werden in unserem Buch angesprochen: von den Todeschützen auf dem Maidan, die zu dem gewaltsamen (und verfassungswidrigen!)  Umsturz führte, über das Massaker in Odessa bis zum Abschuss der MH 17, die Auslöser für den Wirtschaftskrieg gegen Russland war. Solange diese Verbrechen nicht aufgeklärt sind, solange die Medien dies nicht einmal fordern oder selbst recherchieren, sondern mit  Gerüchten darüber Politik und Stimmung gemacht wird – solange kann von “vorurteilsfreier Berichterstattung” in der Tat keine Rede kein.