“Vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern” – als die Christen im 4. Jahrhundert zur Staatsreligion des römischen Imperiums aufstiegen, wurden die konkreten “Schulden”, deren Erlass ihr Meister Jesus gefordert hatte, in allgemeine “Sünden” überführt. Das “Jubeljahr”, die jüdische Tradition alle 7 mal 7 Jahre sämtliche Schulden zu streichen, war abgeschafft und damit, so der Ökonom Michael Hudson in seinem neuen Buch “The Collapse of Antiquity”, der Untergang des römischen Weltreichs besiegelt. Die Dynamik zinstragender Schulden hatte in Griechenland und Rom den Aufstieg von Rentier-Oligarchen ermöglicht, was zu starker wirtschaftlicher Polarisierung, weit verbreiteter Austerität, Revolten, Kriegen und schließlich zum Zusammenbruch geführte hatte. Das “Jubeljahr”, und ähnliche Schuldenerlass-Regeln schon bei den Sumerern und Ägyptern, hatten die Balance zwischen Individualismus und Egalitarismus, Privatbesitz und Gemeinwohl, zu erhalten versucht. Ihr Zusammenbruch hinterließ dann, so Hudson “der nachfolgenden westlichen Zivilisation eine gläubigerfreundliche Rechtsphilosophie, die zu den heutigen Gläubigeroligarchien geführt hat.” Weil diese für dieselben Polarisierungen, Austerität und Kriege sorgt wie vor 2.000 Jahren, scheint dieser historische Rückblick hoch aktuell, ebenso wie die Forderung, dass ein Jubeljahr, einen globaler Schuldenerlass, mehr als überfällig ist. Hier ein Interview mit Prof.Hudson zu diesem Buch: Teil 1 und Teil 2.
Über die voranschreitende Dollardämmerung und den Niedergang des “Petrodollars” hatten wir in der letzten Sendung des 3. Jahrtausends schon geredet: wenn große Teile der Welt die US-Währung immer weniger als nationale Reserve verwenden, weil der Zwang ihr Ölimporte in Dollar zu bezahlen wegfällt – und der Diebstahl von 300 Milliarden russischer Dollar-Reserven auf westlichen Banken das Vertrauen vieler Länder erschüttert hat – ist die Macht des Greenbacks vorbei. Seine extreme Stärke konnte er nur wegen der erzwungenen weltweiten Nachfrage behaupten, die Druckmaschinen konnten Tag und Nacht laufen, ohne dass die Scheine groß an Wert verloren – und so hat kaum einer gemerkt, dass die Federal Reserve die Dollarmenge seit 2019 so explosiv gesteigert hat wie noch nie, 2021 einfach mal um 25 %. Was logischerweise einen entsprechenden Wertverlust der Währung mit sich bringen muss, sodass die derzeit noch einstelligen Inflationsraten nicht der Realität entsprechen – aber das dicke Ende wird kommen. Und digitales Zentralbankgeld ist keine Lösung. Ohne Jubeljahr, ohne globalen Schuldenerlass und anschließende Geldreform, ist der Kollaps nicht aufzuhalten…
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Zur Krönung von Karl III. (aka Prince Charles) hat Julian Assange ihm einen Brief geschrieben Hier in der Übersetzung von Uli Gellermann ein kurzer Auszug des unbedingt lesenswerten Schreibens, das Original findet sich hier:
An Seine Majestät König Karl III,
Anlässlich der Krönung meines Lehnsherrn hielt ich es für angemessen, Sie herzlich einzuladen, diesen bedeutenden Anlass mit einem Besuch in Ihrem eigenen Königreich im Königreich zu begehen: dem Gefängnis Seiner Majestät in Belmarsh. Sicherlich erinnern Sie sich an die weisen Worte eines berühmten Dramatikers: “Die Qualität der Barmherzigkeit ist nicht angestrengt. Sie tropft wie der sanfte Regen vom Himmel auf den Ort darunter.”
Aber was wüsste dieser Barde schon von Barmherzigkeit angesichts der Abrechnung zu Beginn Eurer historischen Herrschaft? Schließlich kann man das wahre Maß einer Gesellschaft daran erkennen, wie sie ihre Gefangenen behandelt, und Euer Königreich hat sich in dieser Hinsicht sicherlich hervorgetan.
Das Gefängnis Belmarsh Eurer Majestät befindet sich an der prestigeträchtigen Adresse One Western Way, London, nur eine kurze Fuchsjagd vom Old Royal Naval College in Greenwich entfernt. Wie reizvoll muss es sein, dass eine so angesehene Einrichtung Ihren Namen trägt.
Hier sind 687 Ihrer treuen Untertanen inhaftiert, was das Vereinigte Königreich zum Land mit der größten Gefängnispopulation in Westeuropa macht. Wie Ihre edle Regierung kürzlich erklärt hat, durchläuft Ihr Königreich derzeit “die größte Erweiterung der Gefängnisplätze seit über einem Jahrhundert”, wobei ihre ehrgeizigen Prognosen einen Anstieg der Gefängnispopulation von 82.000 auf 106.000 innerhalb der nächsten vier Jahre zeigen. Das ist in der Tat ein großes Erbe.
Als politischer Gefangener, der nach dem Willen Eurer Majestät im Auftrag eines beschämten ausländischen Herrschers festgehalten wird, ist es mir eine Ehre, in den Mauern dieser Weltklasseeinrichtung zu leben. Wahrlich, Euer Königreich kennt keine Grenzen. (…)
Es wäre großartig, wenn der Clown auf dem Königsthron der Einladung folgte und nachdem er nun mit 73 Jahren endlich einen Job gefunden hat, dem auch nachgehen würde. Indem er ein Machtwort spricht und königliche Gnade vor amerikanischem Unrecht ergehen läßt und Julian aus dem Kerker befreit. Und sei es nur, um ihn mit goldenen Fußfesseln zu seiner Familie zu entlassen. um dort auf den Prozess zu warten. Leider ist das von einem Typen wie Herrn Windsor nicht zu erwarten, der die britische Kriegsmaschine ölt und morgens seine Diener zusammenscheißt, wenn seine Socken falsch herum auf dem Ankleidetisch liegen. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf: auch verkniffene, pferdegesichtige Korinthenkacker sind schon über ihren Schatten gesprungen….
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Künstler, Schriftsteller und kritische Intellektuelle fungierten im vergangenen Jahrhundert als Korrektiv einer Politik, die Lügen verbreitete und Kriege führte. Ein solches Gegengewicht existiert heute in dieser Form nicht mehr. Stattdessen, wie der Veteran des investigativen Journalismus John Pilger in einem lesenswerten Essay beschreibt, erleben wir “ein Schweigen, das von einstimmiger Propaganda gefüllt ist.”:
1935 tagte in New York City der Kongress Amerikanischer Schriftsteller, gefolgt von einem weiteren zwei Jahre danach. Sie riefen „hunderte Dichter, Romanciers, Dramatiker, Kritiker, Autoren von Kurzgeschichten und Journalisten dazu auf, „den rapiden Zerfall des Kapitalismus“ und das Heraufziehen eines weiteren Krieges zu diskutieren. Bei den Kongressen handelte es sich um elektrisierende Veranstaltungen, die einem Bericht zufolge von 3.500 Menschen besucht wurden, mehr als tausend weitere Interessierte konnten nicht mehr reingelassen werden. Arthur Miller, Myra Page, Lillian Hellman, Dashiell Hammett warnten vor dem heraufziehenden, oft maskierten Faschismus und mahnten, die Verantwortung liege bei Schriftstellern und Journalisten, sie müssten das Wort erheben. Unterstützungstelegramme von Thomas Mann, John Steinbeck, Ernest Hemingway, C. Day-Lewis, Upton Sinclair und Albert Einstein wurden verlesen. Die Journalistin und Autorin Martha Gellhorn erhob ihre Stimme für die Obdachlosen und Arbeitslosen und „uns alle im Schatten brutaler großer Macht“. Martha, die eine gute Freundin wurde, sagte mir später bei einem Glas Whiskey und Soda: „Die Verantwortung, die ich als Journalistin fühlte, war riesig. Ich hatte die Ungerechtigkeiten und das Leid aufgrund der Wirtschaftskrise miterlebt und wusste, wir alle wussten, was da auf uns zu kam, wenn wir nicht das Schweigen brachen.“ Ihre Worte hallen heute über das Schweigen hinweg nach: Es ist ein Schweigen, das von einstimmiger Propaganda gefüllt ist, die heute nahezu alles vergiftet, was wir lesen, sehen und hören. (…)
weiter hier: John Pilger: Der kommende Krieg – es ist an der Zeit, seine Stimme zu erheben
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Während in Deutschland darüber gestritten wird, ob russische Fahnen am Tag der Befreiung vom Faschismus gezeigt werden dürfen oder was am sowjetischen Ehrenmal die Nationalfahnen der (erst seit 1991 existierenden) Ukraine zu suchen haben, hat Russlands Ex-Präsident Medwedew, auf Twitter stets der Mann für´s Grobe, die “Erben des 3. Reichs in der EU”, daran erinnert, wer sie 1945 von den Nazis befreit hat
Leider haben das heutige Europa und seine verkommenen Führer ein sehr kurzes Gedächtnis. Aber wir werden uns immer an die Helden des Zweiten Weltkriegs erinnern. Unser Land hat den Faschismus 1945 ausgerottet. Haben Sie keinen Zweifel: Im heutigen Europa werden wir den abscheulichen Bandera-Neonazismus, der von den Erben des Dritten Reiches in der EU so sehr geliebt wird, vernichten. Um des Gedenkens an unsere Väter und Großväter willen.
Alles Gute zum großen Tag des Sieges!
https://twitter.com/MedvedevRussiaE/status/1655476726779072513?
Aber was ist denn das ? Heute morgen, 8.Mai 2023, das rote Siegesbanner auf dem Reichstag in Berlin. Waren da russische Hacker am Werk ? Oder ist das nur ein Photoshop-Fake ? Hier dazu auch noch ein Video. Wie auch immer. Vielleicht hat sich ja nur ein Reichstags-Aushilfshausmeister, der noch nicht an Geschichts-Alzheimer leidet, die Freiheit genommen, sich bei der Roten Armee für die Befreiung vom Faschismus zu bedanken. Was auf jeden Fall und unbedingt angemessen ist. Vor einem Jahr konnte ich in Moskau meinen Dank und den Respekt für das “Unsterbliche Regiment” persönlich zeigen. Der Rat, den ich am Ende des Artikels darüber gab, ist nach wie vor – und zigtausende Leichen später, deren Berge mit einer “Frühjahrsoffensive” noch erhöht werden sollen – aktueller denn je : “Wer glaubt, dass NATOstan nach den großen Erfolgen in Irak, Syrien und Afghanistan jetzt gelingt, was Napoleon und Hitler versagt blieb, ist nicht mehr zu retten. Allen anderen, die dem schrecklichen Krieg ein Ende setzen wollen, kann ich nur zur weißen Fahne raten.”
UPDATE: Fakealarm – Laut dpa wehte die rote Fahne nicht am 8.5.2023
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Neu erschienen:
Mathias Bröckers : Vom Ende der unipolaren Welt , Fifty-Fifty (2022), 288 Seiten, 20 Euro
Der internationale Bestseller über die Geschichte und Hintergründe des Ukraine-Kriegs:










